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SRF DOK Beat Feurer: Schublade auf und rein mit ihm

Reporterin Vanessa Nikisch wollte nach Schema F vorgehen, aber der Bieler Sozialdirektor Beat Feurer machte es ihr nicht einfach. Er lässt sich nicht schubladisieren. Er passt in jede Schublade und er passt in keine.

Zur Autorin

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Vanessa Nikisch arbeitet seit 2004 als Autorin bei SRF, zuerst bei der «Rundschau», seit 2014 bei «DOK». Zuletzt zeigte «Reporter» von ihr «This Jenny – bis zum Schluss».

Wohin mit ihm? Ich sitze Gemeinderat Beat Feurer gegenüber. Wir starten mit Milchkaffee und einem Aufwärmgespräch über den milden Herbst da draussen. In Gedanken öffne ich bereits eine Schublade, will den SVP-Mann da rein stecken. Ich muss gestehen, ich tue das. Automatisch. Mein Gegenüber scannen und einordnen. Auch in meinem Job als Journalistin. Oder gerade dann. Sicher, ich weiss um die Vielschichtigkeit einer Person. Auch um die Gefahr einer Fehleinschätzung oder Pauschalisierung. Trotzdem: Jede Geschichte hat ihre Besetzung. Und die will gecastet werden. Die Rollen sind seit Urzeiten dieselben: ein Prinz, Aschenputtel, Hexe, Wolf und was es an Figuren für eine gute Geschichte so braucht.

Welche Schublade ist die richtige?

Mein erster Eindruck von Beat Feurer: freundlich-korrekt. Dauerlächeln unter Markenbrille. Kerzengrade die Haltung, die Wirbelsäule gibt die ideale Büste für den gut sitzenden Anzug. Der Anzug korrespondiert mit der Umgebung – in Asphaltschwarz gehalten. Designermöbel aus Stahlrohren. Büroutensilien gekonnt platziert. Neonbeleuchtete Städte auf Acryl gedruckt und in die Wand gedübelt. Erschaffene Coolness. Es wirkt alles ein bisschen angespannt und verkrampft. Ich würde Beat Feurer sofort meine Steuererklärung anvertrauen, auch die Familienschildkröten, nicht aber die Organisation einer rauschenden Party. Sympathischer Biedermann. Etikett gefunden. Schublade auf und rein mit ihm.

Falsche Schublade

Eine Stunde später ist alles wieder anders: Unbedingt würde ich Beat Feurer eine Party zutrauen, am besten eine Grillparty! In seinem wildwuchernden Garten. Hier könnte man sich hinlümmeln und ein Weizenbier öffnen. Im Gegensatz zum Büro wirkt die Einrichtung bei Feurer zuhause zufällig und entspannt. Von oben tönt der Alltag der tamilischen Mitbewohner runter. Leben! Lockerer wird auch der Politiker und somit unser Umgang. Vom Plattitüden-Austausch geht’s ans Eingemachte. Wir reden über Outing, On-Off-Beziehung, Indienreisen. Neue Schublade. Die? Nein. Jene? Nein. Welche?

Eine Rolle, viele Feurers

Da wäre zum Beispiel jener Feurer, der in Ausländerfragen streng auf SVP-Parteilinie ist. Im Gegensatz dazu: der Feurer, der mit einer tamilischen Familie zusammenwohnt. Es gibt den als schwul geouteten Feurer, der als Präsident der «Gay SVP» für die Anliegen der Homosexuellen einsteht. Und den Feurer, der Mitglied einer schwulenfeindlichen Freikirche ist. Da hätten wir den harmoniesüchtigen Feurer. Und einen Feurer, der im Dauerclinch mit seinen Regierungskollegen liegt.

Zu viele Feurers, aber nur eine Rolle. Zum Glück haben die Urväter des Geschichtenerzählens dafür längst eine Lösung gefunden: Figuren mit Entwicklungspotenzial. Es war einmal ein Frosch und der wurde zum Prinzen. Wenn er nicht gestorben, dann lebt er noch heute.

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