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SRF DOK Bio ist gesund – oder?

Die Bio-Landwirtschaft verzichtet auf Fungizide, Pestizide und künstliche Dünger. Aber sind Äpfel, Birnen und Rüebli aus biologischem Anbau auch tatsächlich gesünder? Filmautorin Barbara Frauchiger sucht nach Antworten.

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Barbara Frauchiger

Barbara Frauchiger arbeitet seit 1996 in verschiedenen Funktionen bei SRF. Heute zeichnet sie als Projektleiterin der trimedialen Programmentwicklung für Sendungen wie «Mini Lehr und ich» verantwortlich.

Stellen wir die Frage mal anders: Ist stark gespritztes Gemüse gefährlich? Biobauer Ernst Maurer aus dem Berner Seeland hat eine klare Antwort. Er reagiert mit heftigen Hautausschlägen, wenn auf seinem Teller mal konventionell angebauter Salat landet. «Sie könnten bei 'Wetten, dass …' auftreten», witzelt Moderatorin Kathrin Winzenried vor dem Dreh. Ich stehe daneben und mir stockt der Atem ob dieser Flapsigkeit. Aber Maurer nimmt sie ihr nicht übel. Er lacht und erzählt uns seine Geschichte.

Anfang der siebziger Jahre half er als junger Bauer spontan einem Nachbarn beim Spritzen eines Blattlausvertilgers. Es war Hochsommer. Maurer war barfuss und in kurzen Hosen unterwegs. Am Abend wird ihm übel, er hat Atemprobleme, wird notfallmässig ins Spital eingeliefert und entgeht knapp dem Tod. «Darum habe ich auf bio umgestellt», sagt er trocken.

Wer hat‘s erfunden?

Ernst Maurer schloss sich einer Bewegung von Aussenseitern an. Die mühselig jätenden Biobauern, die Pestizide, Fungizide und Kunstdünger vehement ablehnten, wurden von den konventionellen Bauern ausgelacht. In deren Augen war diese Art Landwirtschaft kolossal unmodern.

Aber wo eigentlich sind die Anfänge von bio? In einer privaten Bauernschule auf dem Möschberg, einem «Hoger» bei Grosshöchstetten, mit grossartigem Ausblick auf die Alpen. Hier entwickelten Hans und Maria Müller nach dem Zweiten Weltkrieg den biologisch-organischen Landbau. Eine Lehre, die Jahrzehnte später den Siegeszug um die Welt antrat. Heute gilt bio als cool und trendy – das Ehepaar Müller würde staunen. Es entstammte einem politisch konservativen und religiösen Milieu, wollte den Bauern helfen und die Schöpfung bewahren.

Nostalgische Gefühle für das «Gmüespäckli»

Müller war klar, dass die Produkte auch eine Kundschaft finden müssen. Er gründete eine Vertriebsorganisation und zog in den fünfziger Jahren – seiner Zeit weit voraus – einen Versandhandel mit Bioprodukten auf. Das «Gmüespäckli» war jahrzehntelang ein Renner. Tausende von ernährungsbewussten Familien wurden per Post mit frischer Ware beliefert. Die Archivbilder lösen bei mir nostalgische Gefühle aus. Auch meine Mutter war Abonnentin des «Gmüespäcklis», eine schöne Kindheitserinnerung, auch wenn der Inhalt mich damals nicht begeisterte.

Ich bin also ein «Bio-Kind». Verspricht das ein langes Leben? Die Wissenschaft hat leider keine klare Antwort, sagt Urs Niggli, Direktor des Forschungsinstituts für biologischen Landbau. Die positive gesundheitliche Wirkung von Bioprodukten sei tatsächlich nicht erwiesen, es gebe nur Indizien. Nie habe eine Studie erfasst, wie sich die biologische Ernährung auf ein Menschenleben auswirke. Schade.

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Die ominöse Lebenskraft

Möschberg-Schüler wie Biopionier Ernst Frischknecht kümmert das nicht. Ein Leben lang hat er für bio gekämpft. Hat erklärt und überzeugt. Und ist sicher, dass in Biogemüse und –Früchten eine ganz spezielle «Lebenskraft» steckt. Wir haken nach: Das ist doch Hokuspokus? Auf keinen Fall, sagt Frischknecht. Wer nur bio esse, sei einfach resistenter gegen «Pfnüseli» und Krankheiten, ist er überzeugt. Die Wissenschaft werde das auch noch herausfinden.

Das glauben wir nur zu gern! Bloss ist Einkaufen nicht so einfach. Auch das habe ich gelernt. Bioprodukte machen nur Sinn, wenn sie aus der Region stammen, nicht zu sehr veredelt sind und einigermassen in die Saison passen. Meine Haltung nach Abschluss des Films? Ich kaufe bio...meistens.

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