Am zweiten Drehtag erklärte mir Erhan Erman, er gehe rasch über den Mittag in die Moschee. Ich war überrascht. Als besonders religiös hätte ich den Geschäftsführer der «Migros Voi» im Zürcher Grünauquartier nicht eingeschätzt. Beisst er doch auch mal herzhaft in eine Schweinswurst und schüttelt verständnislos den Kopf, wenn Leute Homosexualität als Krankheit betrachten. Er schien mir nicht der typische Besucher des Freitagsgebets zu sein. «Ich brauche diesen Moment der Besinnung. Das hilft mir, im Leben aufs Wichtige zu fokussieren.» Und ja, natürlich gehöre der Islam zur Schweiz, sagt das ehemalige SVP-Parteimitglied Erman. Mit leichter Hand scheint der Secondo Dinge zu vereinen, die für manch einen gegensätzlicher nicht sein könnten.
Arbeit statt rumhängen
Auch in seinem Arbeitsalltag. Da gibt es einerseits den pingeligen Chef: «Wo ist dein Gürtel?» Hosen in der Kniekehle kann der Chef nicht ausstehen. Erhan Erman legt Wert aufs Erscheinungsbild und mag es exakt. Fehlanzeige, wer bei ihm unpünktlich zur Arbeit erscheint.
Andererseits drückt er, wenn nötig, beide Augen zu. Seinen Lernenden, allesamt mit Migrationshintergrund, gibt er auch mal eine zweite und dritte Chance: «Aus eigener Erfahrung weiss ich, was sie daheim manchmal alles mittragen müssen. Ich will, dass sie den Arbeitsalltag packen. Rumhängen ist keine Alternative», sagt mir der eingebürgerte Schweizer, der für eine klare Beschränkung der Zuwanderung ist. Doch wer schon mal hier sei, müsse mit allen Mitteln integriert werden.
Mama muss Deutsch lernen
Wie wenig Wert er auf Konventionen legt, merkte ich dann beim Dreh bei ihm daheim. Vorübergehend lebt er in einer WG mit seiner Mutter. Und obwohl er alles für sie täte, widersetzt sich der 35-Jährige ihrem grössten Wunsch: endlich zu heiraten. Er rate Frauen sowieso ab, einen Südländer zu heiraten, grinst er. «Alles Machos». Er bemühe sich, keiner zu sein. Denn dass seine Mutter die hiesige Sprache so schlecht spreche, habe mit dem Regime des Vaters zu tun. Die Mutter habe immer Vollzeit gearbeitet, zu den Kindern geschaut und den Haushalt geschmissen. Was aus ihm geworden sei, verdanke er ihr. Darum sei es jetzt an ihm, seine Mutter zu unterstützen. Auf dass sie Deutsch lerne und endlich ihr Leben lebe.