SRF DOK: Herr Hille, fliesst auch in Ihren Adern Erfinderblut?
Stephan Hille: Nein, überhaupt nicht. Aber für mich ist der Film vor allem ein modernes Märchen, das der Frage nachgeht, die wohl jeden Menschen umtreibt: «Was will ich im Leben erreichen?» Maurer ist ein Mensch, ein «Chlütteri», der den Traum vom Pommes-Frites-Automaten hat, und wie absurd auch dieser klingen mag: Er tut alles, um diesen Traum zu verwirklichen.
Wie sind Sie auf Ueli Maurer und seinen Automaten aufmerksam geworden?
Es ist eine grossartige Geschichte, die mir buchstäblich in den Schoss gefallen ist. Ich bin im «Tagesanzeiger» auf einen kleinen Artikel gestossen. Dort wurde von einem Kartoffelbauer berichtet, der in Kleinandelfingen an einer Tankstelle einen Pommes-Frites-Automaten zum Serientest aufstellen will. Das hat mich sofort elektrisiert und ich wusste: Das muss eine Geschichte sein. So entstand mein erster von zwei TV-Beiträgen über Ueli. Ausschnitte daraus sind dann auch in den «DOK»-Film eingeflossen.
Was hat sie gepackt an Ueli Maurers Person?
Ich war fasziniert von diesem Menschen, von seiner Besessenheit und seiner Begeisterung. Ich war mir ziemlich sicher, dass er noch einen weiten Weg vor sich hat – er hat ja immer gesagt: «In einem halben Jahr bin ich dann soweit.» 2009, als er zur weltweit grössten Kartoffelmesse nach Holland fuhr, war das für mich die Gelegenheit, ihn noch einmal zu begleiten. Zwei Jahre später sagte er mir, er sei von der Kinderquizsendung «1, 2 oder 3» im ZDF eingeladen worden. Hier wurde die Sache für mich immer bildstärker, interessanter und verrückter. Diese Sequenz ist in der längeren Filmfassung zu sehen.
Wie haben Sie Ueli Maurer erlebt? Hatten Sie auch zwiespältige Gefühle ihm gegenüber?
Ich war tief beeindruckt von ihm und von seiner Leidenschaft, die er trotz Rückschläge aufrecht hält. Er hat nie daran gedacht, aufzugeben und hat seine ganze Energie in dieses Projekt gesteckt. Mich hat er als liebenswerter Kauz fasziniert, und es war mir sehr wichtig, ihn nicht vorzuführen. Ich wollte einfach zeigen, wie er ist. Das war eine Gratwanderung. Seine Familie hatte da auch grosse Sorge, doch am Ende waren alle glücklich über den Film – für mich eine grosse Erleichterung.
Sie haben Ueli Maurer fünf Jahre lang begleitet. Hat er sich in dieser Zeit verändert?
Nein, nicht wirklich. Er ist immer derselbe geblieben. Witzigerweise scheint er überhaupt nicht älter geworden zu sein, was ich von mir nicht behaupten kann.
Was hat sich für Sie mit dieser Begegnung verändert ?
Für diesen Dokumentarfilm habe ich meine feste Anstellung gekündigt. Ich musste diesen Film machen. Ich war mir sicher, das ist ein Rohdiamant, den man schleifen muss. In gewisser Weise ist es auch ein bisschen eine Parallelgeschichte, die wir zusammen erlebt haben: Er musste unbedingt seinen Pommes-Frites-Automaten konstruieren und ich den Film dazu. Und beide wurden wir am Anfang etwas belächelt und nicht ganz ernst genommen. Aber das hat mich nur noch darin bestärkt, den Film zu machen. Heute bin ich äusserst froh darüber. Ueli und ich haben eine sehr intensive Zeit verbracht, waren für den Dreh zweimal zusammen in Dubai und sind so etwas wie Freunde geworden.
Und es gab ja offenbar genügend Material für eine längere Kinofassung.
Ja, aber das spannende war, dass ich nie wusste, wie und wann der Film aufhört. Insofern war das ein relativ grosses Risiko. Abgesehen davon, dass ich diesen Film auch noch finanzieren musste.
Wie ist Ihnen die Umsetzung letztlich gelungen?
Finanziert habe ich den Film zuerst aus privaten Mitteln, und als ich nicht mehr weiterkam, habe ich über «wemakeit.ch» ein Crowd-Funding aufgeschaltet. Das Förderziel von 24‘000 Franken kam nach gerade mal 45 Tagen zusammen. Das hat mir wiederum gezeigt, dass dieser Film auf Interesse stösst. Durch dieses Projekt habe ich dann auch an meinen Co-Produzenten Reto Caduff kennen gelernt. Bis dahin hatte ich eine Fernsehfassung. Dank Caduff, seiner Ideen und seiner Finanzierung von weiteren Drehtagen entstand eine längere Fassung fürs Kino. Doch ohne meinen Cutter Felix Balke wäre der Film unmöglich gewesen: Er hat etwa hundert Tage gratis geschnitten, weil er, genau wie ich, sofort Feuer und Flamme war für die Geschichte und seinen Protagonisten. Es war sehr viel Schweiss und Herzblut dabei, und darauf sind wir sehr stolz.
Der Film tönt an, dass die beiden Geschäftspartner, die einst in den Pommes-Frites-Automaten investieren wollten, sich von Ueli Maurer getrennt haben. Auch die Zeitungen haben in der Schweiz kurz darüber berichtet. Inwiefern hat sich die Situation nach dem Film zugespitzt?
Dazu kann und möchte ich nichts sagen. Die beiden Seiten haben sich einfach überworfen. Insofern ist es bitter, weil Ueli wieder Jahre zurückgeworfen ist und weiterhin dafür kämpfen muss, seinen Automaten zu vermarkten. Er scheint wieder dort, wo ich ihn angetroffen habe. Der Automat hat die Serienreife erreicht, ist aber immer noch nicht auf dem Markt.
Immerhin hat Maurer nach zehn Jahren Tüftelei 2014 den Innovationspreis der Schaffhauser Platzbanken für sein Lebenswerk erhalten. Verfolgen Sie Ueli Maurers Werdegang in Zukunft weiter?
Nicht mehr journalistisch. Ich versuche natürlich mitzukriegen, wo er steht, aber ohne die Absicht, eine Fortsetzung zu drehen.