Als ich Ursula Hauser 2010 kennenlernte, war ich gerade aus Haiti zurückgekehrt, wo ich für zwei Hilfsorganisationen nach dem Erdbeben filmte. Viele Menschen dort hatten alles verloren, es gab tausende von Verletzten, Todesopfern und Waisenkindern. Die Hilfsorganisationen starteten gerade ihre psychosozialen Programme für die Bevölkerung, als ich in die Schweiz zurückreisen musste. Doch die Frage, wie Menschen solch traumatische Ereignisse seelisch verarbeiteten, liess mich nicht mehr los.
Als mir die Etnopsychoanalytikerin und Psychodramatikerin von ihrer therapeutischen Arbeit in Kriegs- und Krisengebieten erzählte, wollte ich mehr darüber erfahren. Trotz ihrer über 30-jährigen beruflichen Erfahrung und Begegnung mit menschlichem Leid und Ungerechtigkeit, strahlte sie eine ungebrochene Leidenschaft für ihre Arbeit aus. Ihr Enthusiasmus und ihre optimistische Art wirkten ansteckend!
Unterwegs in Krisengebieten
Seit 1980 arbeitete sie in Nicaragua, El Salvador, Kuba, Mexico, Bolivien und Palästina. Sie bildete Ex- Guerilleras, Krankenschwestern, Sozialarbeiterinnen und PsychologInnen in der Therapiemethode aus. Viele von ihnen wenden das Psychodrama inzwischen selbstständig an, um die traumatischen Erfahrungen mit ihren Landsleuten aufzuarbeiten. So auch in Gaza, wo Ursula und ihre Kollegin, die Ärztin Maja Hess, seit 15 Jahren tätig sind.
In Gaza, wo zwar Waffenruhe, jedoch nie wirklich Friede herrsche, sei ihre Arbeit eine andere, sagt Ursula. Man könne da nicht von posttraumatischem Stresssyndrom sprechen. Die latente Bedrohung, dass sich vergangene, traumatische Ereignisse wiederholten, sei immer vorhanden. Deshalb reist sie mit Maja weiterhin einmal jährlich zur Supervision zu ihren palästinensischen Kolleginnen.
Das Leben in Gaza wird schwieriger
Seit 2011 habe ich die beiden Schweizerinnen vier Mal nach Gaza begleitet, zwei Mal reiste ich alleine hin. In diesen wenigen Jahren ist das Leben für die Menschen in Gaza zunehmend schwieriger geworden. Ich realisierte, wie sehr wir den politischen Konflikt in der Region als Status Quo akzeptieren. Die Allgemeinheit nimmt dabei kaum noch war, wie sich die Situation dahinter noch immer verschlechtert.
Schon bei meiner ersten Begegnung war das Vertrauen, welches Ursula und Maja über die Jahre hinweg mit der Gruppe in Gaza aufgebaut hatten spürbar. So fassten die Palästinenserinnen auch schnell Vertrauen zu mir als ihre Begleiterin und Filmemacherin.
Stereotypen durchbrechen
Ich begegnete einem starken sozialen Zusammenhalt und einer Offenheit, die ich nicht erwartet hatte. Allen Widerwärtigkeiten zum Trotz strahlten die Personen, die mir begegneten, Humor und einen unerschütterlichen Lebensmut aus. Bereitwillig liessen sich die Gruppenmitglieder während der Psychodramasitzungen filmen, obwohl nie vorhergesagt werden kann, was in einer Sitzung geschehen wird. Ich kam den Menschen dabei zuweilen sehr nahe und realisierte einmal mehr – auch wenn wir nicht dieselben Nöte und Sitten teilen – in den wirklich wichtigen Dingen, dem Wunsch nach Frieden, Freiheit, Sicherheit und Aufgehobensein, sind wir Menschen einander gleich, egal wo wir leben.
Die Abriegelung schränkt nicht nur das Leben der Menschen vor Ort ein, sondern auch die Möglichkeit, uns ein Bild von ihnen und ihrem Leben zu machen. Mein Film soll die Anonymität, in der diese Menschen uns fern und fremd bleiben und die Stereotypen, die wir dadurch vermittelt bekommen, ein Stück weit durchbrechen.