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Die Unterwasserbilder von Michel Roggo entführen in eine unbekannte Märchenwelt unter der Oberfläche.
Legende: Zauberwelten: Die Unterwasserbilder von Michel Roggo entführen in eine unbekannte Märchenwelt unter der Oberfläche SRF/Michel Roggo

SRF DOK Drei Gedanken zu den Fischen

Fische gelten als kalt und fremd. Biologisch aber verkörpern sie den Anfang einer Entwicklung, aus der auch der Mensch hervorging. Deshalb stehen sie uns näher als wir denken.

Die Schweiz ist ein Land des Wassers: Aus den Bergen strömen Bäche und Flüsse nach allen Seiten, bilden Seen und Tiefebenen, bevor sie unser Land in alle Himmelsrichtungen verlassen. Kein Wunder ist die Schweiz auch ein Land der Fische – über 70 einheimische Arten sind bekannt. Doch im Wasser der Schweiz fühlen sich die Fische nicht mehr wohl. Was ist im einstigen Fischparadies passiert?

Noch selten erlebte ich bei der Produktion einer Sendung ein derartiges Wechselbad der Gefühle – ausgerechnet bei den Fischen! Da ist zum einen ihre Faszination: Der zierliche Stichling von fünf Zentimetern Länge, der mit rotem Bauch eifrig ein silbern glänzendes Weibchen umwirbt. Und da ist der riesige Wels von gegen zwei Metern Länge, der im Rhein auf Berührungsdistanz vorbei schwebt als Wesen einer fremden Welt – wie wenn Science-Fiction real wird!

Und da ist all das, was den Fischen das Leben schwer macht. In den Bergbächen fehlt ihnen heute oft das Wasser, weil es über tiefe Stollen in die Stauseen zur Elektrizitätsproduktion abgeleitet wird. Die Bachbette fallen trocken oder führen nur mageres Restwasser, um das politisch heftig gestritten wird. Im Flachland schaffen die Kraftwerke, die viele Flüsse stauen, den Fischen Probleme, indem sie die Strömung verlangsamen, so dass der Untergrund verschlammt. Und durch die Stromproduktion wird enorm viel Wasser aufs Mal abgelassen, das den Fluss anschwellen und dann wieder rasch absinken lässt: In den flachen Uferpartien vertrocknen dann Jungfische, Laich und auch die Kleinlebewesen im Fluss, von denen die Fische leben.

Eine weitere Gefahr bringt die Klimaerwärmung, die selbst grosse Flüsse wie den Rhein im Sommer so stark aufwärmt, dass die Fische ersticken, weil warmes Wasser weniger Sauerstoff enthält. 2003 verendeten 50'000 Aeschen im Rhein. Und wäre das alles nicht genug, gelangen aus der Landwirtschaft fast überall Pestizide in die Gewässer, die die Kleinlebewesen im Wasser abtöten. Die Fische finden kaum noch Nahrung.

Aufgrund der Gesetze zum Gewässerschutz dürften eigentlich gar keine Substanzen ins Wasser gelangen, die das Leben in unseren Seen und Flüssen gefährden. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Das ist pikant, denn nach Gewässerschutzgesetz müssen heute Bäche und Flüsse renaturiert werden – dafür werden jedes Jahr in der Schweiz 60 Millionen Franken eingesetzt – drei Milliarden bis ins Jahr 2080! Doch alle diese Renaturierungen, die den Fischen mehr Natur und ein besseres Leben bringen sollen, werden wieder zunichte gemacht, wenn das Wasser durch Pestizide und Chemikalien in Siedlungsabwässern vergiftet wird.

Wenn bei den Recherchen zu einer Sendung und bei Produktion vor der Kamera all das zusammenkommt, was unseren Verwandten im Wasser das Leben schwer macht, gehen mir drei Gedanken durch den Kopf. Der Erste: Ein Wunder, dass es überhaupt noch Fische gibt! Der Zweite: Und wenn das alles so weitergeht: Was wird aus uns? Und der Dritte: Es ist wirklich Zeit, die Menschen über das, was in den Gewässern abgeht, ohne wirtschaftliche Interessen zu informieren, damit – vielleicht – ein Umdenken einsetzt.

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