Piccards Solarflugzeug Solar Impulse, oder kurz Si1, hat bereits reihenweise Rekorde gebrochen. Es flog höher, länger und weiter als jedes mit Sonnenenergie betriebene Flugzeug. Doch Si1 war nur die Vorstufe für das ganz grosse Ziel, die Weltumrundung. Dazu bauten Bertrand Piccard und sein Team Solar Impulse 2.
Piccard auf Mission
März 2015, Abu Dhabi. Si2 steht im mobilen Hangar, rund herum arbeiten Ingenieure, Techniker, Meteorologen, Social-Media-Redaktoren, Köche – und ich mittendrin. Das Team hat sich ganz offensichtlich eine temporäre Einsatzbasis geschaffen. Und ich spüre eindeutig: Hier herrscht ein besonderer Spirit. Es muss der Pioniergeist sein.
Bertrand Piccard nutzt die letzten Tage vor dem geplanten Start unter anderem für Interviews. Solar Impulse ist auf «Goodwill» und Geld angewiesen. Denn Bertrand Piccard ist auf einer Mission. Immer wieder erklärt er, Solar Impulse sei nicht einfach ein Flugzeug, sondern eine Botschaft. Er will Regierungen weltweit dazu bringen, sauberer Energien zu fördern und einzusetzen.
Alles kommt anders
Wenn Bertrand Piccard über die Zukunft und die Chancen unserer Gesellschaft spricht, dann kann man fast nicht anders, als sich mitreissenzulassen. Der studierte Psychologe ist bekannt für seinen eindringlichen Blick und seine Fähigkeit, Menschen für eine Sache zu begeistern. Aber er weiss auch, dass die Begeisterung schnell schwindet, wenn Wolken am Horizont auftauchen.
Am 9. März 2015 jedoch scheint die Sonne. Nach mehrmaligem Verschieben hebt Pilot André Borschberg mit Solar Impulse 2 im Morgengrauen nach Osten ab. Bejubelt von dutzenden Gästen aus Politik und Wirtschaft, Familienangehörigen und Journalisten aus aller Welt. Die Erleichterung und Begeisterung des Teams schwappt auf alle über. Bertrand Piccard ist gelöst wie nie in den vergangen Tagen. Er umarmt und wird umarmt. Mit Tränen in den Augen zeigt Bertrand Piccard in Richtung Westen und sagt zu mir: «Wenn alles gut geht, dann landet das Flugzeug in fünf Monaten aus dieser Richtung wieder hier.»
Doch es kommt anders. Der Flug von China nach Hawaii verzögert sich immer wieder. Zu schwierig ist es, das Wetter für die weite Strecke über den Pazifik vorherzusagen. Si2 muss nämlich fünf Tage und Nächte in der Luft verbringen. Wenn sich mitten auf der Reise ein Unwetter entwickelt, das Flugzeug zu wenig Sonnenlicht erhält oder die Winde zu stark werden, ist das Abenteuer vorbei. Dieses Risiko scheint dem Team wochenlang zu gross.
Als das Flugzeug dann schliesslich doch abhebt muss es prompt in Japan zwischenlanden. In der Öffentlichkeit kommt zunehmend Skepsis an der Machbarkeit auf. Bertrand Piccard pflegt in diesem Zusammenhang zu sagen: «Wenn es einfach wäre, dann hätte es schon jemand anderes getan.»
Rekordflug, gefolgt von Scheitern
Der Flug nach Hawaii sorgt dann weltweit für Schlagzeilen. Erneut hat Solar Impulse einen Rekord gebrochen. Mehrere Tage und Nächte mit einem Solarflugzeug über den Pazifik zu fliegen. Noch nie ist dies jemandem zuvor gelungen. Es ist der bislang grösste Erfolg für die Pioniere.
Doch der Rekordflug über den Pazifik fordert seinen Tribut. Die Batterien des Flugzeugs wurden während der Reise irreparabel beschädigt. Unterdessen ist es zu spät für Solar Impulse, um die Reise bis Abu Dhabi rechtzeitig zu beenden. Das Team entscheidet sich, auf Hawaii zu überwintern. Medien berichten über ein Scheitern des Projekts, über Millionenbeträge, die dem Team fehlen würden. Doch es ist nicht Bertrand Piccards Art, den Kopf hängen zu lassen. Sein Enthusiasmus ist ungebremst.
Winterschlaf ist vorbei
In diesen Tagen erwacht Solar Impulse auf Hawaii aus seinem Winterschlaf. Die Techniker bereiten das Flugzeug für die ersten Testflüge vor. Und im April startet Bertrand Piccard mit Si2 in Richtung US-Festland. In den USA gibt es viel Überzeugungsarbeit zu leisten betreffend sauberer Energie.
Um die Aufmerksamkeit der Regierungen und Grossfirmen zu gewinnen ist Bertrand Piccard aber auf den Erfolg angewiesen. Die Weltumrundung muss klappen. Die Herausforderungen bleiben enorm. Aber wie würde Bertrand Piccard sagen? «Wenn es einfach wäre, dann hätte es schon jemand anderes getan.»