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SRF DOK Ein Teenager mit stoischer Ruhe

Reporter Samuel Bürgler porträtiert den jüngsten Bestatter der Schweiz, Kevin Huguenin. Warum kommt ein 16-Jähriger auf die Idee, Bestatter zu werden? Wie sieht sein Alltag aus? Auf jeden Fall anders als sich dies der Reporter vorgestellt hat.

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Samuel Bürgler arbeitet seit 2011 als Redaktor bei «glanz und gloria» und seit 2015 auch bei «DOK». Er studierte nach dem Lehrerdiplom Schauspiel in Wien und besuchte das MAZ in Luzern.

Ich stelle mir immer wieder die gleiche Frage: Warum kommt ein 16-Jähriger auf die Idee, Bestatter zu werden? Andere träumen in diesem Alter davon, Fussballer zu werden oder Rockstar. Was treibt ihn an? Was fasziniert ihn an diesem ungewöhnlichen Beruf? Das habe ich mich gefragt, als ich zum ersten Mal von Kevin Huguenin, dem jüngsten Bestatter der Schweiz, gehört habe. Ich wollte mehr über ihn erfahren und entschied mich, einen Film über diesen jungen Menschen zu machen.

Genau geplante Drehtage

Die Drehbewilligung vom Krematorium Bern war organisiert, die Kameraausrüstung bereit. Und dann kam alles anders: Kevin Huguenin geriet in eine Auftragsflaute. Im Kanton Bern starben die Menschen zwar weiterhin, die Aufträge aber bekamen die alteingesessenen Bestattungsunternehmen.

Kevin Huguenins Berufsleben bestand, das stellte ich schnell fest, hauptsächlich aus Warten – warten auf die Toten. Also wartete ich mit ihm. Dabei habe ich einen Menschen kennen gelernt, der unbeirrt seinen Weg geht. Ein Teenager mit einer Mischung aus Naivität, Erfolgswille und stoischer Ruhe.

Ich wohne in Zürich, Kevins Geschäft ist in Biel. Unsere Drehtage wurden also genau geplant. Die wichtigsten Szenen waren aber nicht planbar. Ich wollte von Anfang an dabei sein, wenn Kevin Huguenin einen Auftrag erhält. Aber der Tod kommt unerwartet, innerhalb einer Stunde müsse ich zur Stelle sein, sagte mir Kevin Huguenin.

Tage des Wartens

Eine Stunde von Zürich nach Biel – Kamera packen inklusive – das ist sehr sportlich gerechnet. Darum habe ich zwei Filmemacher aus dem Raum Biel gefunden, die mich unterstützten. Adrian Reusser und Alan Salin. Wir erstellten zusammen einen Pikettplan, und ich verbrachte meine Freizeit oft mit Warten in Bern. Mit Laptop, Kamera und Kaffee ausgerüstet, sass ich stundenlang im Café. Nicht nur Kevin Huguenins Tage bestanden aus Warten, nun auch meine.

Wenn ich den Film jetzt anschaue, sehe ich: Da ist eine Menge passiert in dieser scheinbar toten Zeit. Denn Kevin Huguenin ist kein Däumchendreher, einer der einfach abwartet und auf bessere Zeiten hofft. Er probierte alles Mögliche, unternahm so manch skurril anmutende Aktion, sein Geschäft in Gang zu bringen. Sein Verhalten hat mich beeindruckt und irritiert zugleich.

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