Meine dänischen Freunde konnten es kaum fassen, als ich beschloss, einen Film über Kuhkämpfe zu drehen. Ich bekam oft zu hören: «Ist das überhaupt legal?» oder ein ungläubiges Lachen, gefolgt von: «Das tun die Schweizer doch nicht wirklich?»
Nein, alle Schweizer tun das nicht. Aber die im Wallis schon – da, wo alles ein bisschen rauer und archaischer ist, als in der «Üsserschwiiz». Diese Tradition war mir so fremd, sie sollte deshalb Thema meines ersten Dokumentarfilms sein.
Der Kuhkampf ist eine Männerwelt
Bei meinen Recherchen lernte ich die erst 16-jährige Natalija Bregy kennen. Neben den urchigen und bärtigen Männern im Ring stach mir die junge Frau sofort ins Auge. Sie stammt aus einer Familie, die das Züchten von Eringer-Kampfkühen schon seit Generationen betreibt. Bereits neunmal gewann eine Kampfkuh ihres Vaters das finale Stechen und wurde damit zur Königin der Königinnen erkoren. Natalija erzählte mir mit grossem Stolz von ihrem erfolgreichen Vater, und dass sie sich glücklich schätzen würde, in seiner Stallung mithelfen zu dürfen.
Kampfkuh Cascada
Schon der Grossvater hatte Kampfkühe gezüchtet und Natalija will unbedingt als erste Frau die Tradition der Familie fortführen. Ihre 500-Kilo-Kampfkuh Cascada soll den Traum wahr werden lassen.
Natalija ist zwar zehn Jahre jünger als ich, doch oft hatte ich das Gefühl, einer Gleichaltrigen gegenüber zu stehen. Ich war fasziniert von ihrem Willen, ihr Ding durchzuziehen, mit Bedacht und Hartnäckigkeit. Ich sah mich auch selbst in ihr. Ich, die der Welt beweisen wollte, dass ich fähig bin, einen Film zu drehen, dass ich Geschichten spannend erzählen kann, und dass ich die damit verbundenen Hürden meistern würde. Dort Natalija, die aus Papas Schatten tritt und erstmals mit ihrer eigenen Kuh Cascada den Ring beherrschen will.
Die Angst vor dem Scheitern verbindet
Der Kuhkampf und ein Filmdreh hatten in unserem Fall mehr Parallelen, als man denken mag. Während sich Natalija um Verletzungen und die Haltung ihrer Lieblingskuh sorgte, kümmerte ich mich um Regie und Filmteam. Gewinnt meine Kuh? Scheitert mein Film? Wir fanden in unserer Angst vor dem Versagen schnell eine Verbindung zueinander. «Ich denke mit dem Erwachsenwerden kommt auch eine gewisse Angst zu scheitern», sagte sie mir im Interview. Ich konnte ihr nur schweigend zustimmen.
Natalija beeindruckte mich in vielerlei Hinsicht. Ihr Weg zu ihrem ersten grossen Kampf mit Kuh Cascada wurde zu meinem Film über das Erwachsenwerden. Die junge Walliserin lässt sich nicht unterkriegen, ist manchmal dickköpfig bis stur, dann wieder unbeschwert und voller Zuversicht. Ich habe einiges von ihr gelernt und dank ihr auch meine Angst vor grossen Tieren abgelegt.
- Eringer gelten als eine Rasse, bei der auch die Kühe ein hohes Agressionspotential haben. Die Tiere lässt man im Frühjahr in fünf Gewichtsklassen gegeneinander kämpfen. Die Kuhkämpfe sind im Wallis Volksfeste und eine grosse Touristenattraktion. Eine Kuh hat verloren, wenn sie vor der anderen Kuh zurückweicht oder weggestossen wird. Die stärkste Kuh wird zur Königin gekürt und darf den Alpaufzug anführen. Während des Sommers ermitteln die Kühe unter sich die Leitkuh, die Alpkönigin, welche die Herde anführt.