Ein eisiger Wind pfeift über den bewegten See. Unbeirrt aufrecht steht er im Boot, das heftig schaukelt und holt das Netz mit präzisen Handbewegungen an Bord. Die Kälte ist tägliche Routine. Auch wenn ein Fisch im Netz hängt, ein emotionslos kurzer Schlag des Kopfes auf die Bootskante beendet dieses Leben.
Die Plastikkiste füllt sich mit fetten Felchen. Auch ein paar Egli und ein armlanger Hecht sind heute im Fang. Er darf zufrieden sein. Doch vielen Berufsfischern auf Schweizer Seen bläst ein rauer wirtschaftlicher Wind ins Leben. Oft sind die Fänge mager – zu mager, um mit einem uralten Handwerk in einer modernen Welt zu überleben. Doch die Abnahme des Ertrags der Fischer ist natürlich.
Der Vorteil der Misere
Vor 30 Jahren waren die Netze immer gut gefüllt. Die vielen Fische lebten vom reichen Plankton in den Seen. Diese waren in dicht besiedeltem und genutztem Gebiet durch Phosphate in den Waschmitteln, schlecht geklärte Siedlungsabwässer und übermässige Düngestoffe aus der Landwirtschaft hoffnungslos mit Pflanzennährstoffen übersättigt.
Es entwickelten sich so viele Algen, dass die Gewässer biologisch völlig aus dem Gleichgewicht gerieten. Durch die Abbauprozesse des organischen Materials wurde der Sauerstoff im Wasser – vorab in grossen Tiefen – so knapp, dass die Fische und ihre Eier im See nicht überlebten.
Man fing laichbereite Tiere mit den Netzen, streifte ihnen Eier und Samen ab und mischte beides in einem Plastikbecken. Eine künstliche Befruchtung. In Fischzuchtanstalten brachte man den Laich zum Schlüpfen und setzte dann die kleinen Jungfische nach einer Aufzuchtphase wieder im See aus. Dort gediehen sie dank des vielen Planktons prächtig und wuchsen schnell.
Für die einen besser - für die andern fatal
Seit 1986 sind Phosphate in den Waschmitteln verboten. Praktisch sämtliche Gemeinden sind heute an Kläranlagen angeschlossen und in der Landwirtschaft ist das Ausbringen von Hofdünger restriktiv geregelt. Die Überdüngung der meisten Seen ist heute Geschichte. Die Wasserqualität entspricht wieder den ursprünglichen Verhältnissen vor der Überdüngung – mit Konsequenzen für die Fischfauna.
Diejenigen Arten, die vom massenhaften Plankton der Überdüngung profitiert hatten, nehmen beim geringeren Nahrungsangebot ab. Doch ihre natürliche Vermehrung funktioniert wieder, da es am Seegrund heute wieder genügend Sauerstoff gibt und Eier und Jungfische überleben. So sind die meisten Seen heute weitaus natürlicher als noch vor 30 Jahren. Eine Mehrheit der Gesellschaft sieht das äusserst positiv.
Anpassung oder …
Für die Berufsfischer, die ihr Handwerk oft seit Generationen auf den Seen weiterführen, ist das fatal. Ihr harter Beruf, der sie tagtäglich auf den See trägt, in hautnahem Kontakt mit Wind, Wasser und Wetter, und den sie trotzdem lieben, ist in Gefahr.
Sie fordern, dass man die Seen wieder etwas besser dünge, damit die Zahl der Felchen wieder zunimmt, ja, und der Fischbesatz und die Fischzuchten müssen bleiben, damit die Fischer auch während der Schonzeit im November und Dezember laichbereite Fische fangen dürfen, um ihnen Laich und Spermien abzustreifen.
Diese Fische dürfen sie behalten und als Weihnachtsfische dann verkaufen. Und deshalb wünschen sich die Fischer, dass man wie seit mehr als 50 Jahren weiter Fische züchtet und Fischzuchtanstalten betreibt.
Wissenschaftlich weiss man heute, dass künstlich ausgesetzte Tiere für die Fischbestände in der Natur problematisch sind. Wenn die Fortpflanzung natürlich funktioniert, können sich die Fische besser an neue Umweltbedingungen anpassen.
Es gibt Berufsfischer, die diese Zusammenhänge erkennen und versuchen, der Natur zu folgen und ihre Arbeit nach diesen neuen Erkenntnissen auszurichten. Aber es wird in Zukunft sicher – wie bei den Fischen – weniger geben.