Es war mein 29. Geburtstag, als Red und Anita Gerber das Catering für meine Party übernahmen. Über Satayspiesschen gebeugt und beim Servietten falten, erzählten mir die beiden ihre Geschichte. Er, der ehemalige Kriegsflüchtling, der nie mehr in seinem Leben hungern wollte und deshalb Koch wurde. Sie, die resolute Bauerntochter, die sich sich mit 17 Jahren in den Deutsch-Kambodschaner verliebte.
Nein, er wisse nicht, ob seine Familie im Heimatland noch lebe. Wahrscheinlich nicht. Red war etwa acht Jahre alt, als er von den roten Khmer entführt wurde. Ein halbes Jahr nach dieser Party rief Red mich an: «Andrea, meine Eltern leben.»
Fahrt ins Ungewisse
Auf zerschlagenen Lehmstrassen suchten wir wenige Wochen später das Dorf. Wir, das waren Kameramann René, Produktionsassistentin Amira, Red, sein bester Freund Khom und ich. Würden wir Reds Eltern finden? Sind diese Leute tatsächlich seine Eltern, oder – wie schon oft geschehen – Betrüger, die einen «reichen europäischen Sohn» wollen? Würden sie ihn erkennen, umarmen, aufnehmen? Würde unsere Präsenz, die Kamera, den Moment des Wiedersehens zerstören oder davon ablenken?
Red und ich hatten abgemacht, dass er jederzeit hätte abbrechen dürfen. Und zugleich hofften wir, dass er es nicht tun würde. Er fror, als wir bei 35 Grad aus dem Kleinbus stiegen. Red, der immer so distanziert über seine Vergangenheit und auch über diese Reise gesprochen hatte. Langsam gingen wir auf den Holzbau zu. Red und Khom voraus, einige Meter dahinter René. Amira und ich hielten uns zurück.
Das lang ersehnte Wiedersehen
Und dann kam Hiep. Sie streckte ihre dünnen Arme aus und gab einen Laut von sich, der den Schmerz der letzten 32 Jahre über die dürre Wiese trug. «Akon, akon», wiederholte sie immer wieder. «Danke, danke». Wir anderen waren für sie unsichtbar. Sie hatte nur Augen für ihren verlorenen Sohn.
Wie René damals solch gute Bilder machen konnte, als ihm die Tränen über die Wangen liefen – ich kann ihm nur danken. Wir alle waren tief berührt von diesem Moment und diesen Menschen, die uns nach einer Weile doch noch bemerkten und behandelten, als wären auch wir ein Teil der Familie. Sogar mich, die Frau mit den blonden Haaren und der weissen Haut – die Kinder fragten, ob ich echt sei oder ein Geist.
Und dann ging das Leben weiter, im Dorf, für Red, für uns. Fünf Jahre sind seit der Begegnung vergangen. Für Red war es der Beginn einer neuen Verbindung und neuen Verantwortung. Und für mich ist sie bis heute ein Geschenk.