Die Arbeit an «Neuland» hat mich nachhaltig geprägt. So viele Lebensgeschichten, die mir erzählt wurden, teilweise unvorstellbar für mich, die ich bis jetzt ein behütetes Leben in der Schweiz leben durfte.
Vordergründig sind die jungen Migranten der Basler Integrationsklasse Jugendliche auf dem Weg ins Erwachsenenalter mit allen Träumen, Verrücktheiten und Ängsten, die die Pubertät mit sich bringt. Und doch lehrten Schicksalsschläge ihnen früh den Ernst des Lebens, bei vielen ist wenig von der kindlichen Naivität übrig geblieben.
Den Taliban-Terror vergessen
Da ist zum Beispiel Ehsanullah aus Afghanistan, der mit seinen Freunden täglich per Internet Nachrichten über seine Heimat schaut und über den Bildschirm einen Amoklauf der Taliban in seiner Heimatstadt mitverfolgt.
Kurz darauf verkündet er bestimmt, dass er nun alles Schlechte vergessen will und zeigt mir auf Facebook Fotos von den Schweizer Bergen: Er, mittendrin, posiert in einer Blumenwiese.
Erwachsen werden ohne die Mutter
Oder die jungen Frauen: Da zeigen sich mir bekannte Szenen, wie sie sich gegenseitig schminken und frisieren und auf dem Handy Fotos vom Schatz zeigen.
Da steht aber auch die 19-jährige Nazlije, Albanerin aus Serbien, in der Schule vor die Klasse und schreibt als Station in ihrem Leben den Tod ihrer Mutter an die Wandtafel, infolge dessen sie zum Vater in die Schweiz zog.
Die Musik aus der Heimat im Ohr
Sie alle sind geprägt von mir fremden Ländern. Ich sehe es in ihren Ausdrucksweisen, Gesten, in den Filmen, die sie schauen. Höre es aus ihren Kopfhörern, wenn sie leise die fremden Melodien mitsingen. Ich fühle es, sobald ihre Blicke abwesend werden und nur noch ihr Körper anwesend ist.
Und da setzt «Neuland» an: Wie holen die jungen Migranten ihr Bewusstsein hierher, in die Gegenwart der Schweiz, um den steinernen Weg in Richtung Zukunft und Erwachsenwerden in Angriff zu nehmen?
Gibt es hier überhaupt Platz für sie?
Die Schweiz, eine neue Station in ihrem Leben: Neue Schauplätze, ihnen fremde Menschen und Gerüche, anders gebaute Häuser und sie mittendrin mit den Fragen: «Könnte dies meine neue Heimat werden? Gibt es überhaupt Platz für mich in der Schweizer Arbeitswelt?»
Wer sind die jungen Migranten?
Mich hat der Generalverdacht gegen Ausländer, der sich in Abstimmungsinitiativen und auch in den Medien immer wieder zeigt, betroffen gemacht. Daher habe ich beschlossen, genauer hinzusehen und mich auf persönlicher Ebene mit den jungen Neuankömmlingen auseinander zu setzen.
Mehr zu «Neuland»
Der Kontrast zwischen jugendlicher Unbeschwertheit und schicksalshaftem Leid fasziniert mich am Leben dieser jungen Menschen. Und so ist auch «Neuland» ein Wechselbad zwischen ausgelassener Heiterkeit und tragischen Gegebenheiten, das die Zuschauer lachen und weinen lässt.