Allein an der Westküste Kanadas werden jährlich rund 5’000 Schwarz- und Grizzlybären abgeschossen. Sie kommen zu nah an unsere Behausungen, weil wir unseren Abfall nicht von ihnen fernhalten. Und weil wir der falschen Angst erliegen, dass sich diese Tiere mit ihrem «Bärenhunger» bald auch auf uns stürzen könnten, müssen sie sterben.
Abfall, Klimawandel, Besiedlung
Um ihr blutiges und skrupelloses Hobby zu rechtfertigen, zeichnen Trophäenjäger den Bären gerne als aggressiv und gefährlich. In der Schweiz und in Deutschland töten wir die ersten Bären, die nach mehr als hundert Jahren Ausrottung heimkehren, mit der Behauptung, Menschenleben seien in Gefahr. Obwohl kein einziger dieser Bären die geringste Spur von aggressivem Verhalten an den Tag legte.
Weltweit ist in den meisten Fällen fehlerhaftes menschliches Verhalten für Konfliktsituationen verantwortlich. Verlust von Lebensraum durch unbeschränkte Besiedlung, mangelhaftes Management von Abfall und anderen potentiellen Lockmitteln, bedenkliches Menschenverhalten während der Huftierjagd und der Klimawandel sind Gründe, die zu Problemen zwischen Mensch und Bär führen.
Gewiss, Bären können potentiell gefährlich sein. Und doch demonstrieren sie uns gegenüber seit Jahrzehnten ein Verhalten der Friedfertigkeit. Ihre Toleranz unserer oftmals arroganten Lebensweise gegenüber ist beinahe grenzenlos. Sie gehen uns, wann immer möglich, aus dem Weg. Wohl auch deshalb haben sich viele europäische Braunbären zu nachtaktiven Tieren gewandelt – obschon sie von Natur aus eigentlich tagaktiv wären.
Bären empfinden Trauer und Freude
Nach über 30 Jahren unter Bären bin ich davon überzeugt, dass auch Bären Emotionen, die den unseren ähnlich sind, ausdrücken und empfinden können.
Bären leiden und trauern, wenn ein Nahestehender stirbt. Auch wenn sie sich emotional vielleicht schneller erholen als wir, sind sie doch nicht ohne Liebe oder Altruismus. Der Unterschied liegt in den anderen Prioritäten: Wenn eine Bärin eines ihrer Jungen verliert, kann sie es sich nicht leisten, lange zu trauern, sondern sie muss schauen, dass sie selbst und der übrige Nachwuchs überleben.
Emotionen wie Wut, Frustration oder Freude beobachte ich unter Bären regelmässig. Sobald die Menschen akzeptieren, dass sich Bären und andere Grosssäuger von uns Menschen im Gefühlsleben nicht gross unterscheiden, werden wir sie vielleicht mit demselben Respekt behandeln wie unseresgleichen.
Mahatma Gandhi brachte es auf den Punkt als er sagte:
Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt.
Leben im Bärenland
Der Kanada-Schweizer Reno Sommerhalder ist Bärenkenner und forscht in Alaska, Kanada und Kamtschatka, im Osten Russlands.