Die Bommeln auf ihren Brüsten kreisen wie Propeller. Im Uhrzeigersinn. Im Gegenuhrzeigersinn. Dann abwechselnd in die eine oder andere Richtung. Meine Augen kreisen mit. Plötzlich: Stopp! Stillstand.
Später Freitagabend, Backstage des Zürcher Theater Miller‘s. Koko La Douce hat mir soeben die Königskür des klassischen Burlesquetanzes gezeigt. Das sogenannte Tassle twirling. Troddeln wirbeln.
Kein plumpes Ausziehen
«Ich bringe dir das noch bei.» Huch! Grundgütiger. Ich schiebe ein Lächeln vor die Nervosität. Kichern. Etwas Adäquateres fällt mir in diesem Moment nicht ein. Zu meinem Glück beginnt die Show. Koko La Douce steht auf der Bühne. Federn. Fransen. Pailletten. Das ganze Trallala. Burlesque ist nicht einfach plumpes Ausziehen. Hauptsache BH und Höschen weg. Im Gegenteil. Bei Koko hat es mehr mit An-, denn Ausziehen zu tun. Dabei hätte die 42-Jährige diese Verpackung, den Schnickschnack, gar nicht nötig. Wie sie da steht, im goldenen Kunstlicht, das reicht. Eine geballte Ladung erotische Weiblichkeit. Wow!
«Zelebriert eure Cellulite!»
«Eigentlich hättest du da mitmachen sollen. Für die Story.» Haha. Ich schaue den Kameramann an, es ist ihm Ernst. Kein Witz. Wir haben abgedreht für heute, fahren durch die Dresdner Nacht, wo Koko mit ihrer Familie lebt. Kalter Regen. Neonlicht sammelt sich in Pfützen.
Mitmachen? Am Workshop aktiv teilnehmen? Mit all den Frauen und den Federboas?! Koko La Douce gibt in Dresden Lektionen in Sexiness: Hüftschwung. Lasziver Blick. Vamp-Mimik. Für den Alltag.
«Holt die Sexgöttin in euch hinaus!» Koko stöckelt durch den Raum, ihr Po schwingt wie ein Pendel hin und her. «Kommt schon. Zelebriert eure Cellulite!»
Ihr geht es nicht um die makellose Figur, sondern um ein positives Körper- und Selbstbewusstsein. Das macht sexy.
«Den Mund immer leicht offen halten.» Koko formt ihre Lippen: ein wunderschönsaftiges Herz. Die Frauen tun es ihr gleich. Allesamt in Pin-up-Pose, leicht wippend.
Frei von Scham
Da sind sie wieder: die Busentroddel. Koko hält sie in ihren manikürten Händen. Sie baumeln. Bedrohlich, wie ich finde. Mir schwant Übles. Voilà! Da kommt es schon: «So jetzt du!» Koko streckt mir die Troddeln entgegen. Der Kameramann schaut den Tönler an, der Tönler schaut mich an und ich die Troddeln. Mitmachen!
Vier Tage habe ich in Kokos Welt gestöbert; eine Welt, die so gar nichts Plumpes oder Anrüchig-Derbes hat. Klar, ihre Strip-Nummern enden in der Regel klassisch im knappen Höschen, kommen aber mit viel Humor und Fantasie daher. Koko wirkt so frei, stark, so ungehemmt.
Ich, hingegen, stehe da, am frühen Nachmittag, in Kokos Arbeitszimmer mit den Troddeln in den Händen und komme mir hinterwäldlerisch und verklemmt vor. Was ist denn schon dabei, ein bisschen mit den Brüsten wackeln?! Warum kann Koko, warum ich nicht? Sie halbnackt vor dem Publikum, ich nicht einmal angezogen vor drei Nasen. Ich gebe ihr die Dinger zurück. Keine Ahnung warum, aber es fühlt sich ein bisschen wie verlieren an. Naja, ich mach immerhin einen Film übers Brüste kreisen. Das ist ja schon mal ein Anfang…