Viele Dokumentarfilme haben einen grossen Nachteil: Sie werden in ein paar Wochen abgedreht. Alles, was in der Vergangenheit oder der Zukunft liegt, wird in Interviews erzählt. Das macht die Filme oft etwas kopflastig. Das Leben ist aber ein Kontinuum aus Ereignissen und Szenen. Und darum eignen sich Langzeitbeobachtungen viel besser, um eben diesem Leben der Protagonisten nachzuspüren.
Dominikanisch-schweizerische Familiensaga
Bei Karl Feierabend und seinen Nachkommen gelang das darum so gut, weil ich bei ihnen immer offene Türen gefunden habe. Und weil sie mir das Privileg gaben, bei ihnen auch ein wenig hinter die Kulissen schauen zu dürfen.
Die Feierabendsaga ist ein Gewebe aus Schicksalslinien, wie sie eine globalisierte Welt produziert. Dabei geht es bei diesen Migrantenschicksalen fast immer um Grundsatzfragen: Wo kommen wir her? Wo gehören wir hin? Es erstaunt deshalb nicht, dass sich die vier Feierabendsöhne auf ein Leben zwischen den Welten eingerichtet haben. Arbeiten in der Schweiz, mit dem Ziel, einen beträchtlichen Teil des Jahres in der Karibik zu leben. Denn dort ist ihr Wärmepol – im klimatischen wie im übertragenen Sinne.
Ausbildung reicht für Hilfsarbeit
In der Schweiz kämpfen die überaus fleissigen Feierabends mit den gleichen Problemen, wie viele andere Immigranten: Ihre Ausbildung reicht gerade für Hilfsarbeit. Ihre Sprachkenntnisse lassen sie an den Ausbildungsanforderungen der Schweiz scheitern. Kurz und gut: Sie kommen unter Druck in diesem durch und durch organisierten Land. Dafür haben sie ein praktisches Improvisationstalent anzubieten, von dem viele Schweizer nur träumen können.
Es ist zu hoffen, dass jene der Feierabends, die zurück gehen in die Karibik, ein paar jener Schweizerischen Qualitäten mitbringen, die auch ihren Vater ausgezeichnet hatten: Fleiss und Zuverlässigkeit. Mit diesen Eigenschaften können Feierabends sich überall durchsetzen. Carlos sagte mir auf die Frage, warum er bei einem weitere Film mitmache:
Ich will, dass die Leute sehen, dass es mit uns gut heraus gekommen ist.
Karl Feierabends Abenteuer in der Karibik
Ich lernte Karl Feierabend kennen, als ich 1988 für die «Rundschau» eine Recherche verfilmte über Schweizer, die in der dominikanischen Republik Farmen gekauft hatten. Einige von ihnen waren dabei auf die Nase gefallen. Sie waren teilweise mit falschen Versprechen in den Vertragsabschluss gelockt worden. Oder sie kannten sich zu wenig aus in der Tropenlandwirtschaft. Karl Feierabend war nur einer von mehreren, die gutgläubig in ein unkalkulierbares Abenteuer getappt waren. «Zu viele Schelme» habe es hier, sagte Kari, der keiner war, der leichtfertig anderen die Schuld an seinem Schicksal gab.
Wie auch immer: Karl Feierabend wurde nie bitter, trotz seines finanziellen Misserfolgs. Er hatte seine festen Werte, und diese lagen bei der Familie. Das Wohlergehen seiner Söhne war ihm immer das Wichtigste gewesen.