SRF DOK: Papst Franziskus ist nun seit drei Jahren im Amt. Er ist der erste Papst, der es mit der Mafia aufgenommen hat. Ist das spürbar?
John Dickie: Ja, auf jeden Fall ist es spürbar!
Inwiefern?
Jene Priester, die sich gegen die Mafia stellen, haben nun Unterstützung aus dem Vatikan. Die Hierarchie stellt sie nicht mehr als Querschläger oder Problemverursacher dar. Papst Franziskus ist auf ihrer Seite. Übrigens hat schon Papst Johannes Paul II. versucht, die Mafia zu massregeln, aber nicht mit derselben Heftigkeit wie es nun Papst Franziskus tut.
Papst Franziskus hat die Mitglieder der Mafia exkommuniziert. Wie ist diese Handlung zu werten? Ein Paukenschlag?
Eigentlich sollte die Tatsache, dass ein religiöses Oberhaupt Verbrecher verurteilt, kein Paukenschlag sein – aber im Fall der Mafia ist das natürlich anders. Das war schon sehr dramatisch, wenn man die Geschichte der Kirche anschaut, die eine Geschichte des Schweigens und des Einverständnisses war.
Wie reagierte die Bevölkerung Italiens darauf?
Die hat das mehrheitlich begrüsst. Interessant war jedoch vor allem: Wie reagierten die Mafiosi? In den Gefängnissen hat sich eine grosse Konsternation breit gemacht, denn die meisten Mafiosi sind tief religiös. Sie machten sich grosse Sorgen darüber, ob sie weiterhin zur Messe gehen können. Auch die Reaktion der Kirche war interessant, sehr gespalten sogar. Viele Priester relativierten die Worte von Papst Franziskus.
Ist dieses Anti-Mafia-Engagement für Papst Franziskus eigentlich gefährlich?
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass der Papst Opfer eines Mordanschlags durch die Mafia wird. Das wäre ein ziemliches Eigentor für die Mafia…
Und, John Dickie, für Sie selbst?
«Touch wood», wie man bei uns sagt, aber ich glaube nicht. Investigative Journalisten werden von der Mafia umgelegt, aber keine Historiker wie ich.
Letzten Sommer gab es ein pompöses Mafia-Begräbnis mitten in Rom. Mit Kutschen, Helikoptern und Musik von «Der Pate». Das Begräbnis fand ganz regulär in einer katholischen Kirche mit entsprechendem Personal statt. Wie hat das auf Sie gewirkt?
Oh, das war ein Riesenskandal! Die Mafia liebt natürlich solche Übergangszeremonien wie Hochzeiten, Begräbnisse und andere Anlässe. Hier wurde wieder klar die Verbindung zwischen Mafia, Kirche und den Behörden sichtbar.
Was hat Sie persönlich eigentlich dazu bewogen, sich ausgerechnet dem Thema Mafia zu widmen? Sie hätten es sich auch gemütlicher machen können.
Die Mafia ist nach wie vor eine grosse Bedrohung für die Demokratie in Italien. Ausserhalb von Italien wird die Mafia jedoch oft nicht verstanden. Darum will ich die Mechanismen dieser Verbrecherorganisation einer grossen Öffentlichkeit verständlich machen, ich finde das wichtig.
Was ich noch erwähnen möchte: Ich habe bei den Dreharbeiten für diese Dokumentation Priester kennengelernt, die sich seit Jahren mutig gegen die Mafia stellen. Diese Männer haben mich beeindruckt und ich empfand es als Ehre, ihnen begegnen zu dürfen. Ihnen gehört mein Respekt.
Arbeiten Sie bereits wieder an einem neuen Projekt?
Ja natürlich, aber ich kann Ihnen leider nicht sagen, woran, das ist noch geheim – sonst müsste ich Sie zum Schweigen bringen...
Okay, dann beenden wir dieses Gespräch nun besser. Vielen Dank John Dickie!