Ich bin 1964 geboren und im Selbstverständnis aufgewachsen, dass ich als Frau genau die gleichen Chancen habe, wie ein Mann. Meine Mutter war berufstätig und verdiente ihr eigenes Geld. Sie hat mein Rollenbild stark geprägt. Auch als ich ans Gymnasium wollte, stand dem nichts im Weg. Als ich mich nachher für ein Jurastudium entschied, fragte auch niemand mehr, ob das ein guter Karriereweg sei für eine Frau. Und auch als ich eine Assistenzstelle an der Uni annahm und später in den Journalismus einstieg, spielte das Geschlecht ebenfalls für niemanden eine Rolle. In meinem 100-Prozent-Job fühlte ich mich gleichberechtigt wie ein Mann.
Als Frau in einer Männer-Domäne
Das änderte sich schlagartig, als meine erste Tochter auf die Welt kam. Eine 60-Prozent-Teilzeitstelle wurde mir nur zögerlich bewilligt. Ich musste fortan beweisen, dass ich trotz Familienpflichten noch gleich effizient arbeitete wie ein Mann und zu diesem Zweck monatlich eine Liste meines Outputs abgeben. Frauen gab es Anfang der 90er Jahre nur vereinzelt auf einer Newsredaktion. Mit den Jahren wurden die Männer um mich herum Chefs, ich gebar zwei weitere Kinder, arbeitete 70 Prozent und mehr, auch in verantwortungsvollen Positionen. Noch nach der Jahrtausendwende sagte man mir, dass Leitungsfunktionen weder im Jobsharing noch in einem Teilzeitpensum von 80 Prozent möglich wären.
Kein Jobsharing, keine Teilzeit für Kaderstellen
Die häufigste Frage war immer die gleiche: «Ja, könntest du denn eine Führungsfunktion überhaupt übernehmen neben deinen drei Kindern?» Ich glaube nicht, dass ein Mann dies je gefragt wurde und wird. Auch Bemerkungen einzelner Arbeitskolleginnen blieben nicht aus: Meine Kinder würden ihnen leid tun, hörte ich, als ich mich dann doch für eine 100 Prozent-Führungsfunktion bewarb. Die Liste solcher Geschichten, auch aus meinem Umfeld, liesse sich beliebig verlängern. Doch zumindest auf Firmenseite gibt es nun einen Lichtstreifen am Horizont: Dieses Jahr wurde erstmals seit langem wieder ein Jobsharing auf Kaderstufe bewilligt, und mittlerweile arbeiten auf Kaderstufe 100 Väter und 34 Mütter.
Mehr Toleranz für verschiedene Familienmodelle
Meinen Töchtern wünsche ich, dass sie diese Diskussionen nicht mehr führen müssen. Und von meinem Sohn erwarte ich, dass er Frauen und Männer, Mütter und Väter, ganz selbstverständlich gleich behandelt.
In der Vereinbarkeitsdiskussion kommen Frauen und Männer nur gemeinsam weiter. Verschiedene Rollenmodelle sind nur dann möglich, wenn Paare gleichberechtigt über die Prioritäten, die sie in der Familie setzen, diskutieren können. Nicht alle wollen erwerbstätig sein, nicht alle wollen Karriere machen.
Aber die, die wollen, sollen es können. Die schlimmsten Feinde der Chancengleichheit sind jene Menschen – Frauen und Männer – die ihr eigenes Familien- und Rollenbild über andere stellen und gegen neue Familienmodelle permanent verteidigen müssen. Seien es Chefs in den Unternehmen, denen starke Frauen nicht geheuer sind, die Angst haben vor einem Dammbruch, wenn sie Frauen in die Führungsetagen lassen. Oder Frauen, die ihr eigenes Modell in Frage gestellt sehen, wenn andere Frauen anders leben.
«Gleichberechtigt wäre ich dann, wenn mein Mann in der Familienarbeit zu gleichen Teilen mithelfen würde, und wenn man auch mit 80 Prozent Karriere machen könnte», sagt Catherine Heuberger im Film. Sie hat Recht, und vielleicht ist es ja keine Illusion. Wir haben schon einiges erreicht in den letzten 40 Jahren.