Nach komplizierten Dreherfahrungen in Nordkorea und im Gazastreifen erschien mir und dem Produzenten Gunter Hanfgarn das Filmprojekt in Saudi-Arabien als relativ überschaubares Unterfangen. Doch gerade diese dritte «Expedition zur Achse des Bösen», wie wir sie ironisch nannten, wurde zur grösseren Strapaze.
Eigentlich hatten wir von Anfang an beste Voraussetzungen, da die befreundete Journalistin und Koautorin Gabriele Riedle im Jahr davor eine Reportage in Jeddha realisiert hatte. Das ermöglichte uns gleich die Zusammenarbeit mit einer lokalen Filmproduktionsfirma – eine Bedingung für jeden Dreh in Saudi-Arabien. Doch bis wir den Stempel der Genehmigung auf unseren Pässen erhielten, verging fast ein Jahr mit unzähligen Mails und Telefonaten.
Willkürliche Sittenpolizei
Mit unserem Filmprojekt über die neue Generation von saudischen Frauen hatten wir eine doppelte Herausforderung: den Dreh in einem für ausländische Medien verschlossenen Land und zugleich ein heikles Thema. Rückmeldungen von den saudischen Behörden und der Berliner Botschaft liessen monatelang auf sich warten. Und in der Zwischenzeit mussten wir unser Filmkonzept immer wieder umdenken, weil Protagonistinnen plötzlich untertauchten – vermutlich, und verständlicherweise, aus Angst, sich in westlichen Medien zu exponieren.
Ähnlich verlief der Dreh. Er wurde von immer neuen, meist kurzfristigen Absagen, vom Warten, Neuorganisieren und Improvisieren geprägt. Und das Absurde dabei: Bereits nach wenigen Tagen haben wir selbst um einen Aufpasser vom Ministerium gebeten – was man im Normalfall nur vermeiden möchte. Denn zu oft wurden wir von argwöhnischen Bürgern oder Polizisten angehalten und mussten dabei die beinahe existentielle Angst unseres saudischen Tonmanns und unseres Fahrers miterleben, die in diesem Land auch nach den Dreharbeiten weiter leben mussten. Allein die Tatsache, dass sie als Männer mit fremden Frauen wie uns im selben Auto sassen, versetzte sie, besonders am Abend, in Panik. Denn sie spürten die Präsenz der willkürlichen Sittenpolizei überall.
Fassade westlicher Normalität
Das führte dazu, dass wir uns bei der Wahl der Motive und der Sujets selbst Grenzen setzten, um unsere Kollegen sowie auch die Protagonisten, zu schützen. Auch die aufgezwungene Koproduktion mit einer saudischen Firma, die für die Filminhalte mitverantwortlich war, schränkte uns ein.
Doch besonders unheimlich empfand ich das Gefühl, mich in einer Grauzone zu bewegen, deren Umrisse nicht genau definiert sind. Unterwegs zu sein in einem Land, das keinen Rechtsstaat kennt und gleichzeitig, besonders in der relativ liberalen Stadt Jeddah, eine Fassade von westlicher Normalität präsentiert. Dieses permanente Gefühl der Ambivalenz und des Nichtwissens, wann eine Grenze plötzlich doch überschritten war, stellte für mich die grösste Herausforderung dar.
Als ich für ein anderes Filmprojekt im Gazastreifen drehte, so war unsere Arbeit dort von einem bedrückenden, klaustrophobischen Gefühl, und durch den Lärm von Raketen und Warnschüssen, von einer äusseren fassbaren Bedrohung durchdrungen. Für einen Dreh in Nordkorea arbeiteten wir wie in Kulissen eines absurden Theaters, in dem die Realität nur durch plötzliche Risse durchblitzte. In Saudi-Arabien allerdings war das Vorantasten mit der Kamera eine subtile und noch viel heiklere Gratwanderung.