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SRF DOK «Nie und nimmer könnte ich Fernsehreporterin sein»

Margrit Sprecher hat Hunderte von Reportagen geschrieben. Im April erhielt sie den «Swiss Press Award» für ihr Lebenswerk. Ein Grund für «Reporter», die Journalistin zu porträtieren. Hier erzählt Margrit Sprecher in ihrer pointierten Art, wie sie die Fernsehmenschen mit all ihrer Technik erlebte.

Für mich waren die «Reporter»-Aufnahmen ein Seitenwechsel: Gefragt werden, statt zu fragen. Im Licht stehen, statt dahinter. Daran musste ich mich erst gewöhnen. Gewöhnungsbedürftig war auch die Arbeitsweise der KollegInnen vom Fernsehen. Statt, wie ich, mit Notizblock und Kugelschreiber loszuziehen, schleppten sie Stativ und eine Kamera und einmal sogar so etwas wie ein Autosteuerrad, worauf die Kamera montiert wurde. Damit standen wir, zu meiner Verlegenheit, überall sogleich im Mittelpunkt. Besonders junge Leute wurden geradezu magisch vom SRF-Rot angezogen und brachten mit ihren Rufen und Winken den Kameramann zum Verzweifeln.

Bei der Preisverleihung des «Swiss Press Award»: Bundesrätin Sommaruga und die Preisträgerin mit verstecktem «Sprengstoffgürtel»
Legende: Verleihung des «Swiss Press Award»: Bundesrätin Sommaruga und die Preisträgerin mit verstecktem «Sprengstoffgürtel» SRF

Dazu kam die Verkabelung. Die Verkabelung besteht aus einem möglichst unauffällig am Ausschnitt festgemachten Mikrophon, dessen dazugehöriger Draht sich auf unterirdischen Wegen bis auf Taillenhöhe schlängelt. Dort muss er an einem dafür geeigneten Kleidungsstück festgemacht werden. So weit, so gut. Oder eben nicht. Denn wie befestigt man das Sendekästchen mitten im Festsaal des Berner Hotels «Bellevue Place» an Strumpfhosen, weil kein stiller Ort zur Verfügung steht? Bundesrätin Sommaruga wartet schon und an meiner Taille klammern bereits zwei Kästchen von anderen Filmern. Rundum Elektronik-bestückt kam ich mir zeitweise vor wie eine Terroristin mit Sprengstoffgürtel.

Damit nicht genug. Immer und überall ist ein Fernseh-Reporterteam zum Warten verdammt. Mal sind zu viele Leute im Bild, mal schiebt sich ein Auto durch den Hintergrund, mal brummt im Himmel ein Helikopter und «versaut» den Ton – der Dreh muss unterbrochen werden. Schon ein schüchternes Wölkchen am Himmel macht das Team nervös: «Licht geht weg!» Für Unruhe sorgen auch ständige Fragen der Reporterin nach dem Vorhandensein von mysteriösen «Zwischenschnitten». Und stimmen schliesslich Licht, Ton, brummen endlich keine Helikopter im Himmel herum, unterbricht das Team das Interview – der «Akku» von der Kamera muss gewechselt werden.

Von jetzt an sehe ich jeden Fernseh-Beitrag mit andern Augen. Ich weiss jetzt, welche Mühe und Aufwand allein hinter 10 Sekunden Film stecken. Und nach fünf Drehtagen schliesslich wusste ich eines mit Sicherheit: Nie und nimmer könnte ich Fernsehreporterin sein. Viel zu aufwendig, zu umständlich und aufreibend.

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