Stephanie von Orelli sagte sofort zu, als ich sie für ein Porträt für die Sendung «Reporter» anfragte. «Wenn ich Frauen ermutigen kann, auch mit Familie Karriere zu machen, bin ich gerne dabei», antwortete sie. Wir trafen uns für ein Vorgespräch abends um 21 Uhr in einem Restaurant, denn so lange arbeitet sie jeweils im Spital. Die Frauenärztin kam mit der Vespa angedüst, ein freundliches Lachen auf dem Gesicht, die Lippen knallrot geschminkt – und das nach einem 12-Stunden-Tag. Für die Vorbereitung des Films hatten wir viel zu besprechen und es wurde spät. Ich ging müde nach Hause, sie fuhr hellwach heim. Schliesslich wollte sie noch für sich und ihren Mann kochen.
Unkomplizierte Filmaufnahmen
So spontan Chefärztin Stephanie von Orelli für den Film zugesagt hatte, so unkompliziert waren die Filmaufnahmen. Sie hat uns vieles ermöglicht im Triemlispital, was nicht selbstverständlich ist. Der Schutz von Privatsphäre ist in einem Spital besonders wichtig, das Personal muss informiert sein, Einwilligungen von Patientinnen sind einzuholen. Aber auch bei ihr Zuhause standen uns alle Türe offen.
Lange Tage
Stephanie von Orellis Spitaltag beginnt um sieben Uhr in der Früh, vor 21 Uhr ist sie jeweils nicht daheim. Dann kocht sie für sich und ihren Mann. Gemeinsam haben sie drei Kinder, um die sich an drei Tagen pro Woche eine Nanny kümmert. Immer wieder haben sich Kameramann Marco Krobath und ich gefragt: Woher nimmt diese Frau ihre schier unendliche Energie? «Ich brauche nur sechs Stunden Schlaf», erklärt Stephanie von Orelli. «Sie hat einfach mehr Energie als andere Menschen», sagt ihr Mann Xavier Temme. Und Stephanie von Orellis Mutter, selber ein Energiebündel, weiss: «Es liegt in der Familie.»
Helfen ist Pflicht
Doch es gibt noch eine andere Begründung, warum die Chefärztin so viel und so engagiert arbeitet. Stephanie von Orelli ist auf die Behandlung von Krebspatientinnen spezialisiert. «Ich sehe so viel Leid, da verstehe ich es als meine Pflicht zu helfen.» Sie sei aber auch beeindruckt, mit welcher Grösse und Würde die Krebspatientinnen ihrem Schicksal begegnen. «Meine protestantische Erziehung hat mich gelehrt, dass man der Gemeinschaft etwas zurückgeben müsse.» Darum hat sie sich unter anderem für den Beruf als Medizinerin entschieden.
Kochen als Ausgleich
Der Ausgleich zu ihrem strengen Berufsleben ist ihre Familie – und das Kochen. «Ich bin eine leidenschaftliche Köchin», sagt Stephanie von Orelli. So ist die Küche vollgestopft mit Kochutensilien, unzähligen Gewürzen und Geschirr. Es stapeln sich die Kochbücher, sie sehen nicht ungenutzt aus. Und so, wie sie die Forelle Müllerinnenart zubereitete, stand Stephanie von Orelli nicht zum ersten Mal am Kochherd.
Frauenförderung
Dass Frauen, die Kinder bekommen, im Beruf bleiben und nicht hinter dem Kochherd verschwinden, ist Stephanie von Orelli ein Anliegen. Selber schaffte sie es mit 46 Jahren und drei Kindern an die Spitze der Frauenklinik im Zürcher Triemlispital. Es brauche dazu Mut, eine gute Organisation und einen Mann, der mitzieht. Und: «Wichtig ist, dass man über sich selber lachen kann», ergänzt sie – und strahlt.