Der Geruch menschlicher Ausdünstungen und Ausscheidungen erschlägt mich fast, als ich frühmorgens mit Pflegefachmann Reiko Schulz den ersten Rundgang durch die Patientenzimmer beginne. Schulz nimmt diesen Geruch gar nicht mehr zur Kenntnis: «Wer in einem Pflegeheim arbeitet, hat schon so einiges gerochen», meint er lakonisch. Insgeheim frage ich mich, wie man freiwillig in der Alterspflege arbeiten kann.
Je länger ich Reiko Schulz aber bei seiner Arbeit mit den dementen Patienten im Pflegezentrum Embrach begleite, desto eher sehe ich die befriedigenden Aspekte seines Berufsalltags: In der Langzeitpflege können Beziehungen aufgebaut werden. Beziehungen zu Menschen, die alle in ihrer eigenen Welt leben.
Einfühlungsvermögen notwendig
Pflegefachleute wie Reiko Schulz müssen achtsam und aufmerksam sein, um Bedürfnisse und Schmerzen der Bewohnerinnen und Bewohner zu erspüren. Die wenigsten können sich noch verbal ausdrücken. Bei der täglichen Körperpflege etwa müssen Schamgrenzen täglich neu ausgelotet werden.
Kreativität und Intuition sind bei Gesprächen mit den Dementen gefragt, Teamarbeit, wenn es darum geht, einen aggressiven Bewohner zu waschen, ohne dass Pflegende und Patient zu Schaden kommen.
Erschöpfte Pflegende
Die Arbeit in der Pflege ist anstrengend und kräfteraubend – physisch und psychisch. Eine Studie über Pflegende in Alters- und Pflegeheimen hat vor anderthalb Jahren ergeben, dass auch der Spardruck und der seit Jahren herrschende Fachpersonalmangel sich negativ auf das Wohlbefinden der Angestellten auswirken: Ein Grossteil der Pflegenden leidet unter Rückenschmerzen, allgemeiner Schwäche und Energielosigkeit.
Nach einigen Tagen im Pflegeheim kann ich – trotz vieler heiterer Momente – diese Belastungen gut nachvollziehen. Und ich ziehe den Hut vor Pflegenden wie Reiko Schulz, die ihren Patientinnen und Patienten jeden Tag mit Respekt und Freude begegnen.