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SRF DOK Rasta-Tom: Ein radikaler Aussteiger will frei sein

Der Schweizer Aussteiger Tom Huber führt im Busch Jamaikas ein abenteuerliches Leben. Er folgt den Lehren eines Rasta-Gurus, lebt streng vegetarisch und naturnah. Der Besuch seiner Schwester Barbara und seiner Mutter aus der Schweiz bedeuten für Tom den Ausnahmezustand.

Es scheint der wahr gewordene Bubentraum zu sein. In einer Waldlichtung, mitten im tiefen Busch Jamaikas, steht ein Haus aus Beton und Bambus. Es riecht nach frisch geschnittenen Kräutern und feuchten Socken. Auf Holzregalen stapeln sich Schüsseln aus Kalabassen und selbst geschnitzten Löffeln. Rund um die Hütte herum breitet sich ein wilder Garten aus, in dem über hundert Früchte- und Gemüsesorten gedeihen.

Von New York nach Jamaika

Besitzer dieser gezähmten Wildnis ist ein Schweizer, der als Selbstversorger und Aussteiger seit über zwanzig Jahren ein abenteuerliches Leben führt. Geboren als Tom Huber, als Kind geprägt durch Romanfiguren wie Robinson, Tarzan und Winnetou, zog es ihn nach der Rekrutenschule in die Welt hinaus.

Er lebte zuerst in New York und verliebte sich dort in eine Jamaikanerin. Ein paar Jahre später zogen er und seine Frau in ihr Heimatland. Die Beziehung zerbrach nach einiger Zeit. Doch Tom blieb auf der karibischen Insel, beseelt vom Wunsch nach einem naturnahen Leben im dampfenden Wald. Dank der Hilfe seiner Eltern konnte er ein Grundstück erwerben, auf dem er Nahrungsmittel anpflanzte, um als Selbstversorger über die Runden zu kommen.

Im Urwald versuchte er die Widrigkeiten der Welt wie durch das verkehrte Fernrohr zu sehen – weit im Nichts und lächerlich klein. Keine korrupten Politiker, keine gierigen Banker, keine Umweltzerstörung. Die ersten Jahre waren hart, und oft nagte der Abenteurer am Hungertuch, weil die angepflanzten Bäume erst wachsen mussten, bevor sie Früchte trugen. Aber Tom biss sich durch. Alle Normen eines angepassten Lebens sollten nicht in seinen Wald dringen.

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Hanspeter Bäni arbeitet als Videojournalist, er ist Autor und Kameramann zugleich. Seine Filme haben mehrmals nationale Debatten ausgelöst.

Ein Rasta-Guru bekehrt Tom

Halt fand Tom bei einem Rasta-Doktor, der schon damals ganz in der Nähe wohnte, Tom mit Rat und Tat beiseite stand und ihm Wissen über Heilkräuter vermittelte. Der Schweizer, der zuvor Fleisch in Mengen verschlang, ernährte sich nun plötzlich nur noch vegetarisch, verzichtete auf Salz und liess sich Haare und Bart wachsen. Aus Tom Huber wurde ein bekehrter Rasta.

Bekehrten eilt jedoch nicht selten der Ruf voraus, dass sie militante Züge aufweisen. Zudem sind Selbstzweifel nicht jedem gegeben, erst recht nicht diesem Tom, der schon immer eine starke Persönlichkeit war. So sieht es jedenfalls seine Schwester Barbara. Für sie ist Tom ein sturer Mensch, der ihren Argwohn auf Touren bringt. So mancher seiner Sätze, die er wie ein Gelehrter vorträgt, schnüren ihr den Hals zu. Sie, die seit Geburt im luzernischen Meggen wohnt, weniger welt- und wortgewandt ist als ihr Bruder, misstraut ihm selbst dann, wenn seine Augen in Sprechpausen nur listig blinzeln.

Jeder Bissen eine Gewissensbiss

Das liegt nicht nur an den Prägungen aus der Kindheit, in der Tom immer sportlicher, stärker und selbstbewusster war als seine Schwester. Barbara ärgert sich vor allem, weil der Anspruch ihres Bruders an ein freies, unabhängiges Leben im Widerspruch zu seinem von Regeln bestimmten Dasein als Rasta steht.

Wenn er sich alle paar Jahre einmal für einen Besuch in Meggen anmeldet, herrscht Ausnahmezustand. Dann bestimmen seine Bedürfnisse den Tagesablauf. Er diktiert, was, wann und wie gekocht werden muss. Kurzum, bei Tom wird jeder Bissen zum Gewissensbiss. Vielleicht hat Barbara nicht ganz Unrecht, wenn sie Tom vorwirft, er lebe gar nicht so frei, wie er vorgibt. Tatsächlich sind seine äusseren Lebensumstände im Dschungel durch innere Schranken limitiert. Das war vermutlich nie Teil seines Bubentraums.

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