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SRF DOK Schauen. Nicht starren.

Ein Brandunfall verändert das Leben eines Menschen völlig – das weiss auch Reporterin Marianne Kägi. Sie begleitete drei brandverletzte Kinder, ihre Familien und die Spezialisten. Jetzt zeigt sie, welcher Einsatz nötig ist, damit diese Kinder möglichst unbeschwert weiterleben können.

Die Idee für den Film entstand, als ich mit meiner Tochter im Kinderspital Zürich war. Dort kam ich ins Gespräch mit Pflegefachfrauen und Ärzten, die mir von ihrer Arbeit mit brandverletzten Kindern erzählten. Für mich war eindrücklich, wie professionell und liebevoll Kinderchirurg Clemens Schiestl und sein Team mit Kindern wie Eltern umgehen.

Diese Erfahrung bestätigte sich während der Dreharbeiten – auch beim 8-jährigen Guus, den ich begleitete. Guus verbrannte vor über einem Jahr 50 Prozent seiner Körperoberfläche schwer. Das Team im Kinderspital musste viel Haut auf die Wunden transplantieren. Meist waren es gesunde Hautstücke von seinem Kopf und den Beinen. Ein Hautstück wurde sogar künstlich im Labor geschaffen: Hier wurde erstmals eine aus patienteneigenen Zellen hergestellte Haut eingesetzt. Seit 15 Jahren arbeiten Forscher und Ärzte an diesem Durchbruch. Guus nimmt an einer Studie teil. Abschliessende Resultate liegen zur Zeit noch nicht vor.

Aufwändige Narbenpflege

Nach neun Monaten in Spital und Reha ist der Unfall für Guus und seine Familie noch lange nicht abgeschlossen: Damit die Narben gut heilen, braucht er täglich zwei Stunden Pflege. Eine Arbeit, die seine Eltern übernehmen. Zudem benötigt er verschiedene Therapien und muss immer wieder operiert werden. Denn seine vernarbte Haut wächst nicht so schnell mit dem Körper wie unversehrte Kinderhaut.

Wenn Schuldgefühle plagen

Ein weiteres Kind, das ich während der Dreharbeiten kennenlernte, ist Tamara. Sie war eineinhalb Jahre alt, als sie ihre rechte Körperhälfte mit heissem Wasser verbrühte. Ihre Mutter plagen deswegen Schuldgefühle. «Wenn die Eltern offensichtlich einen Fehler gemacht haben, kann man ihnen diese Schuldgefühle nicht einfach ausreden», sagt Markus Landolt, leitender Psychologe im Kinderspital Zürich.

Zur Autorin

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Marianne Kägi ist Absolventin der Ringier Journalistenschule. Seit 2000 ist sie investigative Journalistin für «Kassensturz». Marianne Kägi wurde für ihre Reportage «Miese Arbeitsbedingungen, verseuchte Natur» für den CNN Journalist Award nominiert. «Brandmal» ist ihr erster Dokumentarfilm für SRF.

Häufig würden Eltern mit Schuldgefühlen sich selber vergessen und sich nur noch für das Kind aufopfern. Damit entstehe für das Kind jedoch ein neues Problem. Darum sei es wichtig, von Anfang an die negativen Auswirkungen von Schuldgefühlen mit den Eltern anzuschauen und dadurch auch das Kind zu stärken.

Die Narben bleiben

Isabel war 14 Jahre alt, als sie sich bei einem Grillunfall schwer verbrannte. Ein Freund wollte dem Feuer mit Brandbeschleuniger nachhelfen. Eine Stichflamme erfasste sie, ihre Kleider loderten. Per Helikopter wurde Isabel ins Kinderspital Zürich geflogen. Sie kam auf die Station E2 – in das Zentrum für brandverletzte Kinder. Dort verbrachte sie fast sechs Monate. Heute – fünf Jahre später – sind die Wunden geheilt. Doch die Narben bleiben. Wenn Isabel in die Stadt geht, treffen sie Blicke der Passanten. Sie könne inzwischen recht gut damit umgehen, sagt sie, und habe einen Weg gefunden, diese Blicke ein wenig auszublenden: «Wenn ich jedes Mal sehen würde, dass mich jemand anstarrt, würde es mich schon mehr bedrücken.»

Eine Zusatzstrafe für den Unfall

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Anders auszusehen als die anderen, keine makellose Haut zu haben, ist schwieriger denn je. Das belegen Arbeiten der Psychologen am Kinderspital. «In den letzten 20 Jahren ist Attraktivität und wie man sich präsentiert, immer wichtiger geworden. Man will sich mit Selfies auf Facebook von der besten Seite zeigen», sagt Psychologe Markus Landolt. Umso bedrückender wirken aktuelle Resultate seiner Forschung: «Solche Kinder werden nicht nur negativ angeschaut, sondern auch negativ bewertet.»

Landolts Studie in Zürcher Schulen zeigte auf: «Kinder schätzten andere Kinder mit Narben als weniger intelligent und weniger sympathisch ein, obwohl sie diese gar nicht kannten». Allein die Tatsache, dass sie anders aussehen, führe dazu, dass ihnen negative Eigenschaften zugeschreiben werden. «Das ist wie eine Zusatzstrafe für ihren Unfall, für den sie ja nichts können.»

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