Manchmal fällt einem das Glück vor die Füsse, manchmal muss man hart dafür kämpfen. Das gilt für die Helden unserer Geschichten genauso, wie für uns Reporter. Zugegeben – diesmal hatte ich ein sehr leichtes Spiel.
Ein glückliches Paar aus Bern
An einem warmen Sommertag erreichte mich ein E-Mail eines jungen Mannes aus Bern. Es war Babin Surenthiran, der mir schrieb. Er skizzierte in wenigen Sätzen, wie es um ihn und um seine Freundin Rea Ravi stehe. Da stand zum Beispiel, dass sie das glücklichste Paar der Welt seien. Ich wurde neugierig. Und als er von all den Hindernissen sprach, die ihre junge Liebe zu überwinden habe, entschied ich mich, die beiden mit der Kamera zu besuchen. Ich traf in Bern zwei junge Menschen, die vieles so aussprachen und taten, wie es Leute in diesem Alter in der Schweiz tun.
Bald aber merkte ich auch, dass für das Liebespaar strenge Verhaltensregeln bestehen. Was für junge Schweizerinnen und Schweizer als Selbstverständlichkeit gilt, ist den beiden vor der Hochzeit verboten. Dazu gehört zum Beispiel das eindeutige Flirten oder gar Küssen in der Öffentlichkeit. Sie schilderten mir aber einen Alltag, den ich bisher nicht kannte und so kaum für möglich gehalten hätte.
Häufig fädeln Eltern Hochzeiten ein
Das Thema Zwangsheirat in der Schweiz hielt ich bisher für gegessen. Geschichten aus längst vergangenen Zeiten. Doch die zwei klärten mich auf: Zwar geschehe es meist nicht ausdrücklich gegen den Willen der Heiratenden, aber der grosse Teil der Hochzeiten unter Tamilen werde auch heute noch von den Eltern eingefädelt und beschlossen. Hin und wieder geschehe dies gegen den Willen der zu Vermählenden. Oder es werde so starker Druck auf die Frau oder den Mann ausgeübt, bis diese «freiwillig» einlenkten. Ein Umstand, der schlicht gegen die Menschrechte verstösst.
«Eine Ehe darf nur im freien und vollen Einverständnis der künftigen Ehegatten geschlossen werden», lautet es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, Art. 16, Abs.2.
Herkunft und kulturelle Wurzeln pflegen
Rea und Babin hatten Glück. Ihre Eltern, die in den 80er Jahren aus Sri Lanka in die Schweiz flüchteten, waren sofort damit einverstanden, dass die beiden ihr Glück selber suchen wollten. Sie unterstützten das Paar und stellten sich hinter sie, als gewisse Leute aus der tamilischen Gemeinschaft versuchten, die Hochzeit zu verhindern. Und sie liessen auch zu, dass Rea und Babin ihre Geschichte öffentlich erzählen.
Das junge Paar hat sich damit nicht nur ein gutes Stück von den Zwängen befreit, die ihre Kultur immer noch beinhaltet. Rea und Babin zeigen damit auch anderen jungen Tamilen, die in derselben Situation sind, dass Traditionsbewusstsein und Fortschritt miteinander möglich sind. Das Brautpaar hat nämlich sehr wohl ein starkes Bedürfnis, die Herkunft der Eltern und damit auch die eigenen Wurzeln und Traditionen zu pflegen. Davon zeugt das Hochzeitsvideo, das Rea und Babin im Bollywoodstil herstellen liessen.
Selbstverständlich haben die beiden geheiratet. Die Hochzeit war farbenfroh und ausgesprochen herzlich. Rea und Babin strahlten wie das glücklichste Paar der Welt.