«Heinrich Fischer der Zeyt Undervogt zuo Meryschwandt und Verena Fischerin sein Ehgmahell 1648». Diese Inschrift steht auf einer Glasmalerei, die einst die Kirche von Merenschwand zierte. Die Wappenscheibe zeigt das Martyrium des heiligen Vitus. Hier sehen Sie das Wappen und die Inschrift in der Vergrösserung .
Nur Farbdias statt der Originale
Während meiner Dreharbeiten führte mich Bruno Käppeli durch das Dorfmuseum von Merenschwand. In der aufwendig ausgebauten Scheune lagern die historischen Schätze des Dorfs. Mir fiel ein geschnitzter Holzrahmen auf, der drei Glasmalereien umfasst. Der Dorfchronist erzählte mir, leider seien dies nur Farbdias. Die Originale befänden sich in der Eremitage in St. Petersburg.
Zum Museum
Das weltberühmte Museum besitzt rund drei Millionen Objekte, davon sind 60'000 in 350 Sälen ausgestellt. Unter ihnen 53 Scheiben aus der Blütezeit der Schweizer Wappenkunst. Nebst dem «Martyrium des hl. Vitus» (1648), stammen wohl zwei weitere Glasmalereien aus der Kirche von Merenschwand: Die Scheiben «Mariä Himmelfahrt» (1630) und «Vom Wal ausgespiener Jonas» (1647).
Meine Neugier ist geweckt
Wie waren die Wappenscheiben aus der Kirche von Merenschwand nach Russland gelangt? Bruno Käppeli, der ansonsten die Geschichte jedes einzelnen Gegenstands im Museum kennt, konnte mir nicht weiterhelfen.
Er stieg ins Archiv und fand einen Briefwechsel zwischen Gemeindevertretern und der Schweizer Botschaft in Moskau. Bereits 1931 hatte Alois Müller, der damalige Pfarrer von Merenschwand, erste Nachforschungen angestellt. Er stöberte die drei Wappenscheiben in den Beständen des russischen Museums auf.
Erst 24 Jahre später erinnerte sich ein Gemeindeschreiber an die Geschichte und bat die Schweizer Botschaft in Moskau um Hilfe. Diese schickte eine Fotoreproduktion der Wappenscheibe und teilte mit: «Dieses Dokument wurde unserer Gesandtschaft vom sowjetischen Aussenministerium überreicht, welches gleichzeitig bestätigte, dass sich die Scheiben heute im Museum der Eremitage in Leningrad befinden.» Einige Wochen später traf ein weiterer Brief aus Moskau ein: «Unter Bezugnahme auf unseren Briefwechsel (...) teile ich Ihnen noch mit, dass gemäss der mir vom Direktor dieses Museums, Herrn Professor Artamow, soeben zugekommenen Nachricht, diese Vitrage 22 x 32 misst und nicht verkauft werden kann, da alle Museumsgegenstände in der Sowjetunion nicht veräussert werden dürfen.»
Geschenk an die neue Heimat?
Pfarrer Alois Müller spekulierte 1931, dass die Scheiben im Gepäck von Georg Gsell (1673-1740) nach Russland gelangt sein könnten. Der Barockmaler war der erste Museumsdirektor der Eremitage. Während eines Besuchs von Zar Peter I. im Jahr 1716 in Amsterdam fungierte der gebürtige St. Galler als sein Kunstberater. Gsell war ein Kenner der niederländischen Kunst und beriet Peter den Grossen, als dieser Kunstwerke für seinen Palast in St. Petersburg kaufte. Als der Zar nach Russland zurückkehrte, trat Gsell in seinen Dienst.
Möglich also, dass Georg Gsell seine neue Wirkungsstätte mit Glasmalerei aus der Heimat beschenkte. Möglich aber auch, dass die Scheiben nach einer Kirchenrenovation in den Kunsthandel gelangten und über einen Sammler an den Zarenhof kamen. Endgültig wird sich die kuriose Reise des heiligen Vitus nach St. Petersburg wohl nie klären.
Natürlich würde es Dorfchronist Bruno Käppeli reizen, nach St. Petersburg zu reisen, um die Wappenscheiben einmal im Original zu bestaunen. Doch wie sagt er im Film: «Nach einer Woche im Ausland muss ich wieder nach Hause. Ich muss einfach ins Dorf zurück. Eigentlich ein Blödsinn. Aber ich habe mich nie vom Dorf abgenabelt.
Aus dem Fundus von Bruno Käppeli
Der Film «Merenschwand im Wandel der Zeit – Es isch noni lang här» ist nur einer von vielen Filmen, die Bruno Käppeli im Lauf der letzten 50 Jahre fertigstellte. Er zeigt Bruno Käppelis akribische Aufzeichnung des Dorflebens in Merenschwand über Jahrzehnte.