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Stau am höchsten Berg Afrikas Kilimandscharo: Touristen, so weit das Auge reicht

Bis zu 70’000 Touristen besteigen den Kilimandscharo jährlich und es sollen noch mehr werden. «DOK» hat sechs Personen auf das Dach Afrikas begleitet und dokumentiert, was dieser Touristenstrom für den Berg bedeutet.

«Schon mit 14 Jahren hatte ich diesen Traum und ich merkte, dass ich beim Wandern so bei mir bin. Ich wusste, jetzt ist es Zeit, um auf den Berg zu gehen.»

So wie Damaris Bach geht es vielen Schweizerinnen und Schweizern. Der Kilimandscharo ist einer der beliebtesten und meistbestiegenen Berge der Welt. Mit seinen 5895 Metern Höhe ist er zudem der höchste frei stehende Berg weltweit und ein attraktives Traumziel, weil er trotzdem relativ einfach zu erklimmen ist. 

SRF wollte wissen, warum so viele Schweizerinnen und Schweizer auf das Dach Afrikas trekken, aber auch, wie sich der Massentourismus am Berg auswirkt, und hat mit drei durchschnittlich trainierten Frauen und Männern das Abenteuer gewagt. Landwirtin Ursula Mürner ist eine der Teilnehmerinnen. Sie sagt: «Der Kilimandscharo ist etwas Erreichbares für mich, ich habe nicht so gerne Schnee, mit Steigeisen und Pickel.»

Gruppenbild der Teilnehmenden des Kilimandscharo-Trekkins auf den Kilimandscharo
Legende: Sie trekken auf das Dach Afrikas: (v.l.n.r) Daniel Bertschinger, Ursula Mürner, Sandra Huggenberger, Klaus Homburg, Bergführer Priskus Peter, Fabian Schibler, Kurt Hegglin, Reiseleiter und Damaris Bach. SRF

Teilnehmer Daniel Bertschinger, Verkaufsleiter und ehemaliger Mittelstreckenläufer, mag Herausforderungen: «Ich will die Challenge, die Höhe selbst einmal spüren und erleben.»

Die Höhe ist tatsächlich die grösste Herausforderung. Niemand weiss, wie sein Körper auf die dünne Luft reagiert. Selbst gutes Training ist keine Garantie dafür, dass man es bis auf den Gipfel schafft.

Und Ursula bekommt das sofort zu spüren. Schon am ersten Tag quälen sie Kopfschmerzen, am zweiten und dritten Tag kommen Schmerzen in der Brust hinzu, an einen weiteren Aufstieg ist nicht mehr zu denken, sie muss abbrechen.

Auch die anderen Teilnehmenden werden nicht verschont: Kopfschmerzen, Durchfall, Blasen an den Füssen und Augenentzündungen, alle haben mit unterschiedlichen Beschwerden zu kämpfen.

Mit ein Grund dafür ist die Höhenkrankheit, welche Symptome wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindel verursachen kann, und im schlimmsten Fall sogar ein Hirnödem, welches tödlich sein kann. Eine langsame Akklimatisation ist darum entscheidend.

Laut lokalen Bergführern buchen jährlich 60'000 bis 70’000 Menschen einen Kilimandscharo-Trip, rund 70 Prozent schaffen es tatsächlich auf den Gipfel.

Die Trips auf den Uhuru-Peak dauern zwischen vier bis acht Tage, je nach Route. SRF hat sich für die längste Route, die Lemosho-Route, entschieden. Diese ist relativ neu und ermöglicht eine gute Akklimatisierung. 

Die Lemosho-Route

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Karte der Lemosho-Route mit Höhenangaben
Legende: Die Lemosho-Route Eine Übersicht der Camps SRF
  • Länge: 76 km
  • Höhenmeter: 6000hm (Aufstieg)
  • Dauer: 8 Tage

Etappe 1 

Lemosho Glades (2100 m) – Big Tree Camp (2780 m) 

Etappe 2 

Big Tree Camp (2780 m) – Shira Camp 1 (3500 m) 

 Etappe 3 

Shira Camp 1 (3500 m)  – Shira Camp 2 (3900 m) 

 Etappe 4 

Shira Camp 2 (3900 m) – Baranco Camp (3960 m)  

  Etappe 5 

Baranco Camp(3960 m)- Karanga Camp (4000 m) 

  Etappe 6 

Karanga Camp (4000 m) – Barafu Camp (4680 m) 

 Etappe 7 

Barafu Camp (4680 m) – Uhuru Peak (5895 m)  

Uhuru-Peak (5895 m) – Mweka Camp (3080 m) 

  Etappe 8 

Abstieg über Mweka Camp 

Als Tourist braucht man einen Bergführer und drei Träger, denn Zelte, Lebensmittel und Gepäck, alles muss hinauf getragen werden. Die Träger verdienen 15 Dollar (rund 13 Schweizer Franken) pro Tag und stemmen je 20 Kilo Gepäck über mehrere tausend Höhenmeter hinauf. Eine unglaubliche körperliche Anstrengung für wenig Lohn. 

Priskus Peter ist einer von hunderten Bergführern, die am Fuss des Kilimandscharos leben. Wenn er einen Trekking-Auftrag hat, trommelt er seine Verwandten und Bekannten als Träger zusammen. Sie alle sind auf Trekking-Aufträge angewiesen.

Männer mit Rucksäcken und Last auf dem Kopf von hinten
Legende: Sie machen den Aufstieg möglich: lokale Träger am Kilimandscharo. SRF

Die Konkurrenz unter den Trägern ist gross. Die wenigsten machen den Job, weil sie den Berg lieben. Sie brauchen das Geld, um ihre Familien zu ernähren und ihre Kinder zur Schule zu schicken. Das gibt den Teilnehmenden zu denken. Fabian Schibler fasst es so zusammen: «Sie sagen ja nicht, dass sie den Job gerne machen, oder weil sie ihn wollen, es sind alles traurige Gründe, weshalb sie ihn brauchen.»

Kontrolliert wird der Touristen-Ansturm nur auf der sogenannten Coca-Cola-Route, weil die Schlafplätze in den Hütten dort beschränkt sind. Coca-Cola heisst die Route, weil die Träger bis vor 15 Jahren noch Coca-Cola in die Hütten schleppten, ein Service, der mittlerweile abgeschafft wurde.

Auf den anderen Routen, auf denen in Zelten übernachtet wird, gibt es keine Beschränkung. Entsprechend gross ist zum Teil das Gedränge.

Während Corona brach der Tourismus am Berg praktisch vollständig ein, aber Outdoor-Aktivitäten boomen und die Besucherzahlen haben mit 70‘000 pro Jahr den Stand von vor Corona wieder erreicht. Doch die tansanische Regierung will noch mehr: In Zukunft sollen 150‘000 Touristen pro Jahr auf den Kilimandscharo pilgern.

Aus Sicht der Regierung verständlich, denn jeder Tourist zahlt 1100 Dollar (rund 952 Schweizer Franken) Eintrittsgebühr in den Park. Zusammen mit den begehrten Tourismuszielen Serengeti und Sansibar macht der Tourismus über 30 Prozent der Exporterlöse Tansanias aus.

Aufstieg auf den Uhuru-Peak in der Morgendämmerung
Legende: Aufstieg auf den Uhuru-Peak in der Morgendämmerung. SRF

Ob das Geld aber tatsächlich für die Armutsbekämpfung ausgegeben wird, wie die Regierung sagt, ist fraglich. Das Naturerlebnis jedenfalls würde mit noch mehr Touristen massiv eingeschränkt.

Die vielen Menschen am Berg werden auch eine immer grössere Belastung für die Umwelt. Zwar bemüht sich die Parkverwaltung, dass am Kilimandscharo nicht bald die gleichen Zustände herrschen wie am Mount Everest.

Alle Gruppen müssen ihren Abfall bei Ankunft und Abmarsch in jedem Camp wägen lassen, damit sie zwischendurch nichts wegwerfen können. Wer etwas liegen lässt, wird gebüsst und tatsächlich liegt in den Camps und auf den Routen relativ wenig Abfall herum.

Verschiedene kleine Zelte im Übernachtungslager, die alle im Frost überzogen sind.
Legende: Trekken am Kilimandscharo kann frostig sein, doch Strapazen nehmen Touristen in Kauf. SRF

Doch die Natur leidet aus einem anderen Grund: Probleme machen die vielen Fäkalien, die die Menschen hinterlassen. WC-Anlagen gibt es nur in den Camps, auf den Wanderrouten, vor allem in den höheren Regionen, liegt überall WC-Papier herum, und es stinkt nach Urin.

Auch wenn die SRF-Gruppe ihr Papier wieder mitnimmt: «Viele Touristen meinen, das Toiletten-Papier löse sich auf, wenn es regnet. Aber das ist eine alpine Wüste, hier regnet es nicht viel», erklärt Augustin Peter, Bergführer und Bruder von Priskus Peter.

Die Regenzeit ist von März bis Juni und von Oktober bis November, aber auch in Tansania ist der Klimawandel spürbar.

Es regne weniger als früher, führt Augustin Peter weiter aus. Auch das Trinkwasser am Berg werde langsam knapp. Früher fand man fünf Minuten vom Camp entfernt Wasser, heute müssen die Träger bis zur nächsten Quelle eine halbe Stunde laufen.

Die Regierung trifft bisher keine Anstalten, das Problem anzugehen. Die Bergführer und Träger nehmen die Veränderungen zwar wahr, befürworten jedoch den geplanten Ausbau des Tourismus, denn er bringt ihnen Geld.

«Wenn wir die Einnahmen aus dem Tourismus steigern wollen, kann man nicht sagen, es ist zu viel. Hier ist Dschungel und Wüste, es wird immer genügend Platz haben, um Zelte aufzustellen», sagt Augustin.

Einzig eine Seilbahn auf den Shira Peak, ein vorgelagerter Berg des Kilimandscharo-Massivs, habe man zusammen mit den Trekking-Veranstaltern und Umweltschutzorganisationen verhindern können.

Doch hält die Regierung an ihren Expansionsplänen fest, dürfte es eine Frage der Zeit sein, bis auf dem Kilimandscharo Kabel für elektrische Energie und Wasserleitungen, wenn nicht sogar ausgebaute Strassen den Wanderweg säumen.

Die Teilnehmenden machen einen Luftsprung über dem Nebelmeer.
Legende: Freudensprung über dem Nebelmeer. SRF

Keine erfreulichen Aussichten. Das Glücksgefühl in dem Moment, in dem die Gruppe nach sechs Stunden und 1300 Höhenmeter den letzten Aufstieg auf den Uhuru-Peak, den Gipfel des Berges, geschafft hat, wird dann nicht mehr dasselbe sein. Die Bewältigung von Strapazen und Entbehrungen macht auch einen Teil des Abenteuers aus.

Daniel Bertschinger : «Es ist definitiv ausserhalb der Komfortzone und jeder Schritt hat sich gelohnt. Es ist unglaublich hier, so schön. Ich kann jeden verstehen, der diesem Virus verfällt, der sagt, ich komme wieder oder gehe auf weitere Berge. So über den Wolken … Freiheit!»

Die Teilnehmenden, die es geschafft haben, fallen sich erschöpft in die Arme und sind sich einig: «Das ist etwas vom Schönsten, was wir in unserem Leben je gemacht haben.»

SRF 1, Dok, 28.12.2023, 20:05 Uhr

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