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Tinder, Bumble und Grindr – wenn Dating-Apps ins Burnout führen
Aus rec. vom 11.03.2024.
Bild: SRF abspielen. Laufzeit 28 Minuten 28 Sekunden.
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Tinder, Bumble & Grindr Wenn Dating-Apps ins Burnout führen

Seit zehn Jahren boomen Tinder & Co. auch in der Schweiz. Doch die Dating-Apps haben ihre Schattenseiten: Immer mehr Menschen sind von einem Dating-App-Burn-out betroffen. Sie sind erschöpft, überfordert und frustriert vom ständigen Swipen und dem Hoffen auf einen Match.

«Die Apps fühlen sich nach Ausbeutung an, weil sie mit deinen Bedürfnissen spielen, du aber nie an dein Ziel kommst», sagt der 36-jährige Tinder- und Bumble-User Federico. Er ist seit vier Jahren auf den Dating-Apps aktiv: «Ich fühle mich wie ein Esel, dem eine Rübe vor die Nase gehalten wird.»

Landschaftsgärtner Federico enrtet Tomaten im Gewächshaus.
Legende: Federico sucht eine Beziehung auf Tinder und Bumble. SRF

Die negativen Erfahrungen mit den Apps seien deprimierend und frustrierend. Trotzdem lässt ihn die Hoffnung auf einen Match immer wieder zu den Apps zurückkehren.

Einsamkeit und Angst 

Studien zeigen, dass diese Negativspirale bei männlichen Dating-App-Usern Stress verursacht. Bei Frauen mindern Dating-Apps das Selbstwertgefühl. Stimmungsschwankungen, Einsamkeits- sowie Angstgefühle nehmen sowohl bei Frauen als auch bei Männern zu.

Ausmass von Dating-App-Burnout

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Online-Dating ist seit der Pandemie auch in der Schweiz die häufigste Art des Kennenlernens – noch vor dem Freundeskreis und dem Berufsumfeld.
Das zeigt eine Studie der Universität Genf aus dem Jahr 2022.

Eine Untersuchung aus Deutschland schätzt, dass heute 12 bis 14 Prozent der Nutzenden unter Burn-out-ähnlichen Symptomen, einem Dating-App-Burn-out, leiden. In Deutschland wären dies über drei Millionen Menschen.

Genaue Zahlen für die Schweiz liegen keine vor. Schätzungen gehen von mehreren hunderttausend Betroffenen aus.

Eine Umfrage des deutschen Digitalverbands Bitkom bestätigte zudem jüngst, dass es 59 Prozent der Befragten mittlerweile leichter falle, digital Kontakte zu knüpfen, als im realen Leben.

Gerade wenn Dating-Apps fehlende Wertschätzung im realen Leben kompensieren sollen, beeinflussten sie die psychische Gesundheit der Nutzenden negativ, so eine US-Studie. Davon seien insbesondere sexuelle Minderheiten betroffen, die besonders aktiv auf Dating-Apps seien.

Die negativen Erfahrungen auf den Apps führten bei Nutzenden zu Burn-out-ähnlichen Zuständen, heisst es auch in einer aktuellen Studie der Hochschule Fresenius in Köln.  

Dating heute

Die 24-jährige Sabeth beschreibt gegenüber SRF «rec.», wie die Generation Z heute datet. Bindungsängste, sogenannte «Commitment Issues», beschäftigten sie und Gleichaltrige. Ihre Beziehungen bezeichnen sie als «Situationships», unverbindliche Mittelfristbeziehungen.

Nahaufnahme von Sabeth, eine junge Frau mit langen braunen Haaren. Sie trägt eine Perlenkette.
Legende: Sabeth ist selbst nicht auf Dating-Apps aktiv. SRF

Unverbindlichkeit und Sex stünden beim Daten im Zentrum, erzählt sie weiter. Gleichzeitig würden dabei aber auch Nähe und Geborgenheit eingefordert. Hinzu kämen Ängste, wie FOMO und FOBO – die Angst, etwas zu verpassen oder die falsche Entscheidung zu treffen. 

Respektloses Verhalten in Chats 

Sozialpsychologin Johanna Degen von der Universität Flensburg hat das sogenannte «Tinder-Burn-out» wissenschaftlich untersucht. Mangelndes Interesse, oberflächliches sowie respektloses Verhalten oder der plötzliche Kontaktabbruch wurden als besonders belastend angegeben.

Tinder & Co verändern, wie wir Beziehungen führen

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Legende: Johanna Degen forscht als Sozial- und Medienpsychologin an der Universität Flensburg. dilemma-praxis

Die Untersuchungen von Sozialpsychologin Johanna Degen brachten gleich mehrere Indizien hervor, wie sich Dating-Apps auf Beziehungen abseits der digitalen Welt auswirken.

  • Den unangekündigten Kontaktabbruch (Ghosting) würden wir heute auch gegenüber unserem Zahnarzt oder unserer Professorin praktizieren.
  • Paralleles Dating ist heute oftmals die Norm. Früher verpönt, sei es heute salonfähig, mit mehreren Personen gleichzeitig intim zu sein.
  • Beziehungen würden heute grundsätzlich eher als Abfolge von monogamen Lebensphasen gesehen, statt als lebenslange Bindung. 
  • So spielten sich Beziehungen heute immer vor dem unsichtbaren Vorhang der scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten von Tinder & Co ab.

 

Männer fühlten sich durch das Geschlechterungleichgewicht in den Apps vernachlässigt und benachteiligt. Frauen klagten über Sexualisierung oder aggressives Verhalten in Chats.

Als Sexobjekt behandelt

Der 24-jährige Nicolas kennt die Praktiken von der Dating-App Grindr. Die Objektifizierung auf dieser App sei «brutal». Er fühle sich oft als Sexobjekt behandelt oder unsicher, weil er auf Profilfotos keinen durchtrainierten Körper vorweisen könne.

Nicolas, ein junger Mann, sitzt auf einer Parkbank und lächelt milde in die Kamera.
Legende: Nicolas ist seit sechs Jahren auf Tinder und Grindr.  SRF

In Chats werde er oft direkt nach Nacktbildern oder Sextreffen gefragt. «Ich reagiere dann oft sarkastisch. Ich bin trotz allem noch ein Mensch. Es steckt mehr hinter mir als nur mein Schwanz und mein Arsch.» Seinen Partner hat er nun offline kennengelernt.

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Q&A zur Reportage «Tinder, Bumble und Grindr – wenn Dating-Apps ins Burnout führen»
Aus rec. vom 15.03.2024.
abspielen. Laufzeit 12 Minuten 57 Sekunden.

SRF 3, 12.03.2024, 13:40;kesm

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