«Ich bin kein Waffennarr, ich bin Waffen-Connaisseur!», sagt Roman Tanner über sich. Rund 30 Schusswaffen besitzt er – vom Karabiner 31 über eine Kalaschnikow bis hin zur Pumpgun. Er kennt jedes technische Detail und weiss zu jeder Waffe eine Geschichte zu erzählen.
Seine teuerste Waffe hat einen Wert von 17'500 Franken. Damit habe er sich einen Bubentraum erfüllt: «Das Gerät kann auf 2.2 Kilometer treffen. Damit schiesst man auf gepanzerte Fahrzeuge, Infrastruktur, Kommunikationsanlagen.» Roman Tanner braucht diese Waffe aber für das Präzisionsschiessen. «Sie ist die Formel 1 des Schiesssports», erklärt er.
Die Kalaschnikow ist DIE Massenvernichtungswaffe der Welt.
Dem Ostschweizer ist bewusst, dass Waffen wie die Kalaschnikow eigentlich Kriegswaffen sind. «Mehr Menschen wurden von diesem System getötet als durch die Atombombe.» Das finde er eine erschreckende Erkenntnis. Trotzdem: Ihn fasziniere die Technik.
Waffenland Schweiz
Einer viel zitierten Schätzung zufolge stehen hierzulande 2.3 Millionen Schusswaffen in Privathaushalten. Demzufolge besitzt fast jeder vierte Einwohner eine Waffe. Das ist Platz 11 im europäischen Vergleich. Hauptgrund für die hohe Waffendichte in der Schweiz sind der Schiesssport und die Milizarmee. Weltweit halten die USA den Rekord mit mehr als 120 Waffen pro 100 Einwohnerinnen und Einwohner.
Obwohl die Schweiz eines der am stärksten bewaffneten Länder der Welt ist, ist sie auch eines der sichersten. Schiessereien sind hierzulande selten. In den letzten 30 Jahren hat sich die Zahl der durch Schusswaffen getöteten Personen sogar halbiert.
Die Suizidrate durch Schusswaffen ist hingegen eine der höchsten weltweit. Zudem spielen Schusswaffen eine zentrale Rolle bei Tötungsdelikten im häuslichen Bereich. Zwar ist in der Schweiz der Einsatz von Schusswaffen bei Tötungsdelikten in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt zurückgegangen, der Rückgang im häuslichen Umfeld fiel jedoch deutlich geringer aus.
Schiessen als schweizerische Tradition
Wie sehr das Schiessen in der Schweizer Bevölkerung verankert ist, zeigt sich am Eidgenössischen Feldschiessen. Jährlich nehmen über 100'000 Schützinnen und Schützen teil. Es findet schweizweit an einem Wochenende statt und ist das grösste Schützenfest der Welt. Dort treffen sich Jung und Alt sowie Männer und Frauen.
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Bild 1 von 4. Mona Vetsch war einst Jungschützin und nimmt am Feldschiessen in Nidwalden teil. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 4. Doch erst einmal muss sie warten, bis sie an der Reihe ist. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 4. Jonas Zurkirch (links) und Andrin Schuler schiessen bereits seit ihrer Kindheit. Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 4. Das Feldschiessen ist das grösste Schützenfest der Welt. Bildquelle: SRF.
Die Teilnahme ist für alle kostenlos, die Munition stellt der Bund zur Verfügung. Ziel des Anlasses ist es, sowohl die Schützentradition als auch die Schiessfertigkeit zu fördern und gleichzeitig den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.
Schiessen ist «Familien-Sache»
Auch die Familie von Roman Tanner nimmt am Feldschiessen teil. Sie teilt sein Hobby. Die 13-jährige Tochter Emilia schiesst seit einem Jahr. Mit 15 Jahren darf sie den Jungschützenkurs besuchen, ein militärischer Vorbildungskurs, der durch die Schützenvereine im Auftrag der Armee durchgeführt wird. Ziel dieses Kurses ist es, den angehenden Rekruten schon vor der Rekrutenschule die Handhabung der Waffe und die Schiesstechnik beizubringen. Meist steht aber eher das Kameradschaftliche im Vordergrund.
Der 18-jährige Loris bevorzugt den Schiesskeller anstelle der Schützenfeste. Seine Lieblingswaffe ist die «Desert Eagle», eine Pistole mit grossem Kaliber, die man aus Filmen wie «Deadpool» oder «The Matrix» kennt.
Schiessen ist ein Hobby, das nicht alle gutheissen. «Ich glaube, die wenigsten Eltern begleiten ihre Kinder so intensiv beim Schiessen wie ich», sagt Roman Tanner auf die Frage, wie sinnvoll es ist, seinen Kindern das Schiessen beizubringen.
Waffe zum Beruf gemacht
Schusswaffen sind bei Anton «Tönu» Anker Teil seiner Biografie. Er war Polizist, bis er sich dazu entschied, seine Leidenschaft zum Beruf zu machen. Der Berner führt heute ein Waffengeschäft in Burgdorf und ist Schiess-Instruktor.
Seiner Verantwortung ist er sich bewusst: «Ich will niemanden an der Waffe ausbilden, der sie missbräuchlich einsetzt.» Es sollen auch nicht alle eine Waffe haben dürfen.
Ich träume manchmal davon, wieder im Einsatz zu sein.
In einer Kiesgrube im Kanton Aargau gibt Anker einen Kurs im taktischen Schiessen. Hier wird der Ernstfall simuliert. Die Kursteilnehmerinnen und Kursteilnehmer lernen in Gefahrensituationen richtig zu reagieren – nicht nur zu treffen, sondern auch taktisch zu handeln.
Ein Hobby mit Vorurteilen
Kursteilnehmerin Olivia spricht im Geschäft nicht über ihr Hobby. Man werde sonst mit kritischen Augen angeschaut. «Viele denken, wir sind scharf darauf und wollen ballern», so ihre Einschätzung. So sei es aber nicht, sie könne durch das Training abschalten und die Arbeitswelt für einen Tag vergessen.
Auch Kursteilnehmer Philip will nicht mit Nachnamen genannt werden. Er findet im Schiessen einen Ausgleich zum Job. «Du siehst den Erfolg direkt auf der Scheibe», das mag er.
Tönu Anker gibt den Teilnehmenden klare Instruktionen und schaut mit wachem Auge, dass nichts passiert. Sicherheit ist ein grosses Thema. Jeder Fehler kann fatale Folgen haben.
Waffen als Selbstverteidigung
Wenn Menschen Schusswaffen ausschliesslich zur Selbstverteidigung besitzen möchten, lehnt Hobbyschütze Roman Tanner dies ab. «Es gibt bessere Methoden, sich zu verteidigen, als mit einer Schusswaffe», sagt er. Einbruchssichere Fenster am Haus einbauen oder ein stärkeres Schloss anbringen, sei sinnvoller. Seinem Sohn Loris empfiehlt er etwa wegzurennen, statt im Ausgang die Konfrontation zu suchen.
Tatsache ist aber auch: Die geopolitische Lage in Europa bewegt einige Menschen dazu, sich zu bewaffnen. Auch Roman Tanner ist da in einem Zwiespalt.
Das Massaker von Butscha im Jahre 2022, bei dem Zivilistinnen und Zivilisten, darunter auch Kinder, getötet und vergewaltigt wurden, hat vor allem bei Romans Frau einiges ausgelöst. «Sie sagte mir, weder ich noch meine Tochter werden das über uns ergehen lassen. Vorher werden wir uns zu wehren wissen.»
Er unterstütze das grundsätzlich und gleichzeitig wünsche er sich, nie in diese Lage zu kommen.