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SRF DOK Wieviel Fisch auf dem Tisch darf's denn sein?

Kurz vor Weihnachten boomt das Geschäft mit Lachs. Die Delikatesse ist heute das ganze Jahr über erhältlich, häufig sogar im Aktionsangebot und, wie es scheint, in rauen Mengen. Peter Jossi von «fair-fish» erklärt im Interview, weshalb dies ein Trugschluss ist, und welche Alternativen es gibt.

Zur Person

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Peter Jossi (*1967) ist Lebensmittel-Ingenieur FH und Vorstandsmitglied von «fair-fish». www.fair-fisch.ch

SRF DOK: Wann haben Sie das letzte Mal Lachs gegessen?

Peter Jossi: Beim Lachs ist dies bei mir persönlich sicher mehrere Monate her. Seitens «fair-fish» empfehlen wir für den massvollen und ressourcengerechten Genuss generell nicht mehr als einmal im Monat Fisch zu essen.

Lachs galt früher als Delikatesse, zum Beispiel für die bevorstehenden Festtage. Heute sehe ich beim Grossverteiler ständig Aktionen, die Packungen sind immer sehr gross. Ich habe den Eindruck, Lachs gibt es im Überfluss. Wie sehen Sie das?

Früher gab es sogar in der Schweiz Lachs. Die Bestände in den Schweizer Flüssen waren gross und Lachs galt gar als «Arme-Leute-Essen».

Aquakulturen stehen unter dem Druck der Massenproduktion

Gemäss einer Legende soll sich das Dienstpersonal in Basel sogar gegen zu viel Lachs auf dem Speiseplan gewehrt haben. In der zeitgemässen Ernährung sollte Lachs und Fisch generell als seltene Delikatesse genossen werden. Der heute selbstverständliche Konsum als Massenware hat zu einer weltweiten Kollabierung der Wildbestände geführt. Gleichzeitig sind als Ersatz Aquakulturen entstanden, die unter dem Druck der Massenproduktion teilweise mit nicht artgerechten Haltungsmethoden und negativen Auswirkungen auf Umwelt und menschliche Gesundheit arbeiten.

Sie sind Lebensmittelingenieur. Essen Sie Lachs nach wie vor ohne Bedenken?

Wie der Dokumentarfilm eindrücklich zeigt, ist selbst beim massvollen Genuss von Lachs und Fisch generell ein genauer Blick auf die Herkunft und die Fang- bzw. Zuchtmethoden zu werfen.

Lange hiess es, Zuchtfisch sollte Wildfang vorgezogen werden, um die Bestände in der Natur zu schützen. Nun zeigt der Film «Chemie im Fisch», dass Fisch aus Zuchten viele Antibiotika und Schadstoffe enthalten können, und dass diese Aquakulturen für die Natur zu einer grossen Belastung werden können. Also auch kein Zuchtfisch?

Der Boom der Aquakulturen hat nicht zu einer Schonung der Wildbestände geführt

Wildfisch ist keineswegs unproblematisch und kann viele problematische Substanzen enthalten, vor allem in stark verschmutzten Gewässern. Besonders belastet sind Raubfische, wie etwa der Lachs, bei denen sich die Schadstoffe im Fettgewebe besonders stark anreichern. Der Boom der Aquakulturen hat leider nicht zu einer Schonung der Wildbestände geführt, sondern den Konsum weiter angeheizt. Es stellen sich sinngemäss grundsätzlich alle Herausforderungen, die aus der klassischen Landwirtschaft und Tierhaltung bekannt sind. Der auf grosse Mengen ausgerichtete Aquakultur-Boom ist noch immer eine vergleichsweise junge Branche. Die Fleischbranche hat zumindest in der Schweiz und Teilen Europas in den vergangenen 30 Jahren einen grossen Lernprozess durchgemacht, der noch lange nicht abgeschlossen ist. Wie die im Dokumentarfilm gezeigten Missstände offen legen, steht ein Grossteil der Aquakulturbranche noch ganz am Anfang dieses Lernprozesses.

Welchen Fisch können wir Konsumenten noch unbedenklich geniessen?

Es gibt kein Label, das den KonsumentInnen die Selbstverantwortung und das Denken abnimmt. Es liegt letztlich in der Macht der KonsumentInnen, mit einem massvollen Konsum – auch von Labelprodukten – die Produktionsmengen insgesamt im Mass zu halten. Biozertifizierte Aquakulturen können eine Alternative sein, sind jedoch noch immer zu wenig verbreitet. Tierhaltung, Futter- und Hilfsmittel sind genau geregelt, und die im Film gezeigten Methoden und Hilfsstoffe sind bei biozertifizierten Aquakulturen selbstverständlich verboten. Doch wie der Film auch zeigt, sind Bio-Aquakulturen nur dann sinnvoll, wenn eine Kontamination mit problematischen Substanzen aus umliegenden Gewässern gesichert vermieden werden kann. Neben der richtigen Standortwahl gehört ergänzend die Überwachung durch regelmässige Analysen dazu. Mit der heutigen Labortechnik lassen sich dabei bereits minimste Rückstandsspuren nachweisen.

Im Wildfang bestehen etablierte Nachhaltigkeitslabels und Standards, die sich aber alle stets weiter entwickeln müssen. Zum Beispiel mit neuen Fangmethoden, die das Tierleid und die Umweltschäden minimieren.

Die Fragen stellte Christa Ulli

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