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Zirkus Stey Droht dem Wanderzirkus das Aussterben?

Einst waren sie die Attraktion: die Wanderzirkusse. Heute haben sie einen schweren Stand. Waren es vor 30 Jahren noch 15, touren aktuell nur noch neun Zirkusse durch die Schweiz. Ein Blick hinter den Vorhang beim Zirkus Stey zeigt, wie schwierig das Zirkusleben geworden ist.

«Eigentlich wollte ich immer Bauer werden», sagt Martin Stey. Doch wer den Namen «Stey» trägt, trägt auch eine grosse Aufgabe. Denn die Familie Stey gilt als die wohl älteste Artistendynastie Europas. Ihre Geschichte geht über 580 Jahre zurück. So wurde Martin Stey nicht Bauer, sondern Zirkusdirektor.

Familie Stey posiert vor dem Zirkuszelt in ihren Kostümen. Die Eltern tragen schwarzes-weiss die Kinder violett.
Legende: Das ist die Familie Stey. Martin und Mia Stey mit ihren Kindern Simone und Rolf SRF

«Für mich ist es keine Last, dass ich da hineingeboren wurde. Es ist etwas Schönes.» Auch wenn er und seine Familie dafür auf viel verzichten müssen.

Familienzirkus im Familienzirkus  

Unterstützt wird Martin Stey von seiner Frau Mia. Die gebürtige Amerikanerin kommt auch aus einer Artistenfamilie und stand schon als kleines Mädchen in der Manege.

Martin und ich sind 24 Stunden zusammen. Streit lieg da nicht drin.
Autor: Mia Stey Zirkusdirektorn

Zusammen haben die beiden die Kinder Simone (10) und Rolf (7) und leben auf wenigen Quadratmetern in einem Wohnwagen. «Martin und ich sind 24 Stunden zusammen. Wir haben gleichzeitig eine Beziehung und ein Geschäft», erklärt Mia. «Streit lieg da nicht drin.» 

Neben Haushalt und Kinder arbeitet Mia am Zirkusbuffet und steht mit den Ponys in der Manege.

Mia Stey und ihren Kindern Simone (10) und Rolf (7) lächeln mit drei mittelgrossen Ponys in die Kamera.
Legende: Mia Stey mit ihren Kindern Simone und Rolf. SRF

«Früher machte ich eine Luftnummer am Trapez. Aber mein Mann Martin brauchte jemand für die Ponys, da bin ich eingesprungen und habe das gelernt», sagt sie. Wer glaubt, dass man in einem kleinen Zirkus einfach das machen kann, was einem gefällt, der liegt falsch.

Praktisch alle Artisten und Artistinnen haben neben dem Auftritt in der Manege noch einen zweiten Job, sei es am Buffet, am Zuckerwattestand oder beim Verkauf der Zirkussouvenirs. Einfach nur glitzern im Rampenlicht, reicht nicht. 

Tradition in modernen Zeiten 

In seinem Zirkus zeigt Martin Stey den «traditionellen» Zirkus. Hier gibt es ein «Nummern-Girl», einen Pausenclown mit roter Nase und ein Live-Zirkusorchester. Rund 600 Zuschauer würden unter dem rot/weissen Zeltdach einen Platz finden, doch die Zeiten einer ausverkauften Vorstellung ist vorbei.

Heute kommt praktisch niemand mehr.
Autor: Fares Mbarek Tierpfleger

Die Vielfalt an Unterhaltungsangeboten ist heutzutage riesig und steht in Konkurrenz zum Zirkus.

Tierpfleger Fares Mbarek kennt die Zirkuswelt wie kein Zweiter. So hat der gebürtige Marokkaner schon für viele Zirkusse gearbeitet – auch für solche, die es nicht mehr gibt.

Fares Mbarek kümmert sich um die Ponys im Zirkus
Legende: Fares Mbarek ist Tierpfleger im Zirkus Stey. SRF

«Wenn wir früher mit einem Zirkus auf einen Platz kamen, waren sofort Kinder da und haben uns geholfen. Heute kommt praktisch niemand mehr.» 

Klar habe ich manchmal schlaflose Nächte, es ist schwierig.
Autor: Martin Stey  Zirkusdirektor

Egal ob 20 oder 200 Personen im Zelt sitzen, das Zirkusleben geht weiter: Mitarbeiter müssen entlöhnt, Rechnungen beglichen und Platzmieten bezahlt werden. Dieser finanzielle Druck lastet auf Zirkusdirektor Martin Stey. «Klar habe ich manchmal schlaflose Nächte, es ist schwierig.»  

Es braucht neue Ideen. Und diese hat Martin. Denn seit ein paar Jahren hat er neben dem Wanderzirkus im Sommer einen Weihnachtszirkus im Winter.

Man sieht von hinter der Kulisse auf die Manege. Die Manege ist mit farbigen Bühnenlicht ausgeleuchtet.
Legende: Der Zirkus Stey bietet Einblick hinter die Kulisse. SRF

«Der Weihnachtszirkus ist gut angelaufen», erzählt Martin Stey. Aber Geld vom Winter in die Sommersaison stecken, das ist für ihn tabu. «Wenn ich aber nur noch drauflege, dann höre ich lieber auf, anstatt Konkurs zu machen.» 

Trotz der harten Arbeit, dem Verzicht und der unsicheren Zukunft – der Zirkus soll weitergehen.«Der Zirkus ist mein Leben, ich könnte nirgendwo glücklicher sein», schwärmt Mia Stey. Ob ihre Kinder den Zirkus irgendwann übernehmen werden, das ist noch offen. «Mein Wunsch ist es, dass sie den Zirkus weiterführen werden», sagt Martin Stey.

SRF 1, 01.11.2023, 21:00 Uhr

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