Werden in Seniorenheimen dereinst dienstbare Maschinen durch die Gänge gleiten, rollen oder schweben? Werden Sie den Bewohnerinnen und Bewohnern unermüdlich warme Milch bringen, den 5-Uhr-Tee, knuspriges Gebäck und die Lieblingszeitung gleich dazu? Vielleicht sogar den Blutdruck messen? Noch befinden sich Roboter wie der Care-O-bot vom Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) im Stadium der Entwicklung und werden ersten Tests unterzogen, wie «Einstein» berichtet.
Doch für IPA-Entwickler Theo Jacobs ist eine Zukunft mit Servicerobotern durchaus denkbar. Ähnlich wie beim PC, der seinen Siegeszug mit fortschreitender Technologie begann, sieht er bei den Robotern grosses Potential – für den Fall, dass sie einst ausgereift und finanzierbar sind. Und der deutsche Elektrotechnik-Verband VDE erwartet, dass sich Roboter und automatisierte Lösungen für ältere Menschen in den kommenden Jahren etablieren und auch Pflegeaufgaben übernehmen.
Was wäre also, wenn? Wer würde haften, wenn ein tollpatschiger Serve-O-Bot ein Glas Rotwein auf die teure Seidenweste einer Seniorin kippt oder sie sogar verletzt? Der Hersteller des Automaten? Der Programmierer? Das Altersheim? Und wie könnte die betagte Dame zu ihrem Recht kommen? Knifflige Fragen für Juristen, zum Beispiel an der Forschungsstelle Robotrecht der Universität Würzburg in Deutschland.
Deren Co-Geschäftsführerin Susanne Beck hat sich dort intensiv mit rechtlichen Modellen befasst, die dem künftigen Einsatz von Robotern in der Praxis gerecht werden könnten. Ein Roboter, so die Juristin, liesse sich demnach nicht einfach nur als Maschine definieren, sondern als «E-Person» rechtlich greifbar machen.
Der Roboter als Rechtssubjekt
«Eine E-Person wäre ein ähnliches Konstrukt wie eine juristische Person, also ein Unternehmen. Man könnte die Verantwortung auf sie verschieben, als stellvertretendes Symbol für die Menschen dahinter», sagt Beck, «Hersteller, Programmierer, Händler und Nutzer von Robotern würden Beträge in einen Topf für Haftungsfälle der E-Person einzahlen – eine Art Selbstversicherung also.» Ein Vorteil des Verfahrens: Geschädigte wären damit von der Mühsal befreit, die Verantwortlichen für Roboterpatzer jahrelang auf dem Rechtsweg zu eruieren.
Doch was wäre, wenn mehrere Roboter in einem Team arbeiten? Und Informationen aus einem gemeinsamen Netzwerk teilen? «Da sehe ich kein grösseres Problem», sagt Beck und spinnt das Modell weiter: Die Robot-Organisation liesse sich als eine Art Konzern betrachten – und die einzelnen Maschinen wie Tochterunternehmen, deren Haftung dann im Gesamtgefüge zu ermitteln wäre. «Statt den Urheber aufwendig zu ermitteln», so die Juristin, «könnten Betroffene bei einem Schadensfall einfach den Konzern verklagen.»
Ein anderer Fall wäre freilich ein Automat, dessen «Wissen» im Lauf der Jahre erweitert wird. Zum Beispiel ein Küchenroboter, der sich an Koordinaten orientiert, die sein Besitzer ihm zuweist – wie etwa den Knopf, um die Herdplatte einzuschalten. Für solche Fälle diskutieren Fachleute bereits das «Herr und Hund-Modell», demzufolge der Besitzer für allfällige Schäden verantwortlich wäre. Der Nachteil dieses Modells wäre laut Beck freilich, dass Hersteller und Programmierer damit unter Umständen aus der Haftung wären.
Offene Fragen zu Haftung und Daten
Ein spezifisches Roboterrecht gibt es in Europa derzeit nicht. Einzelne Nationen behandeln die Vorboten der Dienstroboter unterschiedlich, erzählt Heidrun Becker, die sich an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) mit autonomen Maschinen befasst. «In Italien genügt es für einen Test im öffentlichen Raum, den Versuch anzumelden und Hinweisschilder aufzustellen», sagt sie, doch in Deutschland gelten strengere Vorgaben, allein schon zur Sicherheit.
Wie bei den Probefahrten des «Senioren-Scooters». Dieses Kleinfahrzeug mit vier Rädern, das an der Universität Würzburg entstand, bringt Menschen auf Befehl zum Arzt, zur Apotheke oder zum Supermarkt, erkennt Hindernisse auf dem Weg und kann Kollisionen vermeiden. Für die Fahrtests im öffentlichen Raum verlangte die Versicherung, dass ein Mitarbeiter den Scooter ständig begleitet – mit einem «Totmann-Schalter», der das System automatisch stoppt, wenn der Begleiter ihn nicht regelmässig drückt.
Neben Haftungsfragen erkundet Becker auch andere Aspekte der Automatenarbeit – mit der Studie «Robotik in Betreuung und Gesundheitsversorgung», die sie im Auftrag des Schweizer Zentrums für Technikfolgenabschätzung (TA Swiss) leitet. Beispiel Datenschutz: Ein Roboter im Altersheim könnte durchaus Gespräche zwischen einem Bewohner und seinen Kindern aufzeichnen, in denen es um Erbschaften geht. «Wer darf solche Daten sehen? Wann und wie oft werden sie gelöscht?», sagt Becker, «da müssen noch viele Punkte geregelt werden.»
Ein Robben-Roboter aus Japan
Besonders heikel finden Pflegefachleute, wenn autonome Maschinen in die Privatsphäre dringen. So wie das Robotertier Paro: eine kuschelige, weisse Robbe, die mit Sensoren auf Berührungen reagiert, ihren Namen versteht und das natürliche Vorbild täuschend echt imitiert. In Japan und Deutschland ist der Kuschel-Bot bereits im Einsatz: ein Hightech-Nachfolger von Stofftieren und Puppen, die hiesige Einrichtungen nutzen.
Solche Hilfsmittel können für Demenzkranke zwar eine Anregung sein und das Pflegepersonal tagsüber entlasten. Doch bei Interviews zur TA Swiss-Studie mit Pflegeprofis, Angehörigen und Betroffenen berichteten Teilnehmer, dass es in der Nacht zuweilen umso mehr Unruhe gebe, weil sich die Bewohner um ihre «Zöglinge» sorgten. „«Demente Menschen können den Überblick darüber verlieren, was ein Mensch oder eine Maschine ist», sagt Becker, «bei interaktiven Robotern, die dazulernen können, könnten sich dies noch verstärken. Es sind mindestens schwere Irritationen möglich, wenn eine Maschine jemanden mit Namen anspricht.»
Dass Roboter in Seniorenheimen dereinst einfache Dienste verrichten, schliesst Becker nicht aus, zumal die Roboterforschung derzeit um beachtliche Forschungsmittel aus Brüssel ringt. (siehe Box). «Wenn die EU wirklich grosse Summen freigeben würde, könnte man sich Durchbrüche durchaus vorstellen», sagt Becker, «aber dass Roboter Entscheidung fällen, die komplexe Situationen oder zwischenmenschliche Beziehungen betreffen – das wird es in absehbarer Zukunft kaum geben. Und es wird von Fachleuten in der Betreuung auch nicht gewünscht.»