Wir sind abhängig von unseren Smartphones. Sie vereinfachen unser Leben, begleiten uns überall hin, sind in jeder Situation zur Hand. Doch nicht selten stören sie angeregte Gespräche oder zerstören gar Beziehungen.
In einer Studie aus Deutschland wurde herausgefunden, dass wir unser Smartphone durchschnittlich 88 Mal am Tag checken – oft wird es dabei noch nicht einmal entsperrt, sondern wir schauen einfach nur nach, ob zum Beispiel eine Nachricht eingegangen ist.
Tatsächlich aktiv nutzen wir das Handy zweieinhalb Stunden am Tag, die wir damit verbringen, auf Whatsapp zu chatten, Facebook und unsere Mails zu checken, im Internet zu surfen oder Games zu spielen. Sind wir schon alle Smartphone-süchtig?
Wichtig sind reale Freundschaften
«Wie lange jemand am Smartphone spielt oder wie oft er es am Tag checkt, sind gar nicht die Hauptkriterien für ein Suchtverhalten», sagt Franz Eidenbenz, Leiter des Zürcher Zentrums für Spielsucht , der sich auf neue Medien spezialisiert hat und seit Jahren auch Smartphone-Süchtige therapiert. Viel wichtiger sei, ob eine Person trotzdem reale Freundschaften pflege, wirkliche Konflikte bewältige und im regen Austausch mit ihrer Umwelt stehe – dann sei ein erhöhter Smartphone-Konsum nicht kritisch.
Im Umkehrschluss kann es aber auch vorkommen, dass eine Person weniger Zeit am Smartphone verbringt, aber ihre Kontakte nur noch dort pflegt, kaum mehr Freunde trifft und sich zurückzieht – auch dann kann von einem problematischen Konsum gesprochen werden.
Wer ist gefährdet?
Besonders anfällig für Smartphone-Sucht sind Menschen mit einer Kommunikations- und Beziehungsstörung. Also gerade solche Menschen, denen es schon in der realen Welt schwer fällt, mit anderen zu sprechen oder Freundschaften zu pflegen. Auch soziale Phobien oder Depressionen treten gemäss Therapeut Eidenbenz häufig in Zusammenhang mit Smartphonesucht auf.
Für ihn ist das logisch: «Es ist kein Zufall, welche Sucht eine Person entwickelt. Sucht ist in der Anfangsphase immer ein Selbstheilungsversuch. Man versucht, eine Schwäche zu kompensieren und zu schauen, dass es einem besser geht.»
So gesehen ist es für Menschen mit einer Beziehungsstörung also durchaus naheliegend, genau dem Mittel zu verfallen, das eine problemlose und angstfreie Kommunikation mit den Mitmenschen ermöglicht. Die ursprüngliche Störung kann damit nahezu perfekt kaschiert werden – der ideale Selbstbetrug.
Mobile Geräte begünstigen Spielsucht
Zur Frage, wie viele Personen in der Schweiz abhängig von ihrem Smartphone sind, gibt es wenige statistische Angaben. Rund 70'000 Schweizer gelten als internetabhängig und Eidenbenz schätzt, dass rund die Hälfte davon – mindestens zeitweise – auch smartphonesüchtig ist: «Die ganze Abhängigkeitsthematik verlagert sich zunehmend von stationären Geräten hin zu mobilen Geräten». Eigentlich ist die Smartphone-Sucht also eine Internetsucht.
So spielen sich heute viele andere Verhaltenssüchte – von der Spielsucht über Glückspiele bis zur Kaufsucht – zunehmend über die mobilen Geräte ab, die immer und jederzeit zur Verfügung stehen. Laut Eidebenz begünstigen sie solche Süchte sogar.
Das führt auch dazu, dass bei Weitem nicht nur junge Menschen bei ihm in der Praxis sitzen. «Handysucht ist ein Phänomen, das vor allem junge Leute trifft. Wenn man aber die Verhaltenssüchte mit einbezieht, sind auch viele Erwachsene stark betroffen.» Bei ihnen sind es vor allem Online-Casinos und Sportwetten, die sie immer wieder zum Smartphone treiben. Bei den Jugendlichen eher Spielsucht oder die Sucht nach sozialen Medien.
Endlich wieder durchschlafen
Behandelt werden alle gleich. Bevor man sich den tieferen psychischen Ursachen der Sucht widmen kann, wird zuerst der Handy-Konsum unter Kontrolle gebracht. Meist läuft das über klare Strukturen, wann das Smartphone weggelegt oder sogar abgegeben werden muss. Zum Beispiel nachts. Wenn der Süchtige mal wieder eine Nacht durchschlafen kann, ist ein erster Schritt getan.