Die Erste geht wie von selbst, danach wird es immer schwieriger. Als Kinder können wir die Sprachen in unserer Umgebung einfach irgendwann sprechen. Auswendig lernen oder Regeln begreifen müssen wir dabei nicht. Die Folge: Unsere Muttersprache beherrschen wir fehlerfrei – und können dabei die Grammatik hinter den Sätzen oft nicht erklären.
Bewusstes und unbewusstes Lernen
Die Erfahrung zeigt, dass auch Erwachsene nicht zwingend pauken müssen, um eine Sprache zu lernen. Denn wer sich in einem fremdsprachlichen Umfeld befindet, kann sich Sprachkenntnisse theoretisch auch ohne Vokabeltraining und Regelkunde aneignen.
Bestes Beispiel sind Migranten: Sie sind dauerhaft von einer unvertrauten Sprache umgeben, und müssen sich regelmässig darin verständigen. Nicht selten erreichen sie ein erstaunliches Niveau, ohne jemals ein Lehrbuch geöffnet zu haben.
In der Schule setzt man typischerweise auf ein anderes Lernprinzip. Denn hier beschallen uns Lehrer nicht einfach nur mit der Fremdsprache, in der Hoffnung, dass wir alle sie irgendwann beherrschen. Stattdessen bringen sie uns die Sprache systematisch bei. Grammatik, Vokabeln – alles folgt einer vorgegebenen Logik und wird gewissenhaft abgefragt.
Gibt es den richtigen Weg?
Ob wir nun eine Sprache büffeln oder uns im Ausland von ihr imprägnieren lassen – eine überlegene Lernmethode gibt es nicht. Zwar deuten zahlreiche Studien darauf hin, dass man durch gezielten Sprachunterricht einen höheren Lernerfolg erzielt. Doch die Sprachforscherin Kaya Morgan-Short relativiert diese Ergebnisse. So seien die Probanden immer nur bis zu einem begrenzten Sprachniveau beobachtet worden. Das sei dem Umstand geschuldet, dass das Sprachenlernen einfach zu komplex ist, um es über eine längere Zeit ohne Einflüsse von aussen analysieren zu können.
Diesem Problem begegneten Morgan-Short und ihr Team in einer Studie an der University of Illinois, indem sie ihre Probanden eine Kunstsprache mit wenigen Wörtern und rudimentärer Grammatik lernen liessen. Eine Gruppe bekam Grammatikunterricht, die andere hörte der gesprochenen Kunstsprache einfach zu. Das Ergebnis: In ihren sprachlichen Fähigkeiten zeigten sich keine Unterschiede – Probanden beider Gruppen erreichten ein hohes Sprachniveau.
Gehirnaktivität wie Muttersprachler
Einen Unterschied im Lernerfolg fanden die Wissenschaftler jedoch, als sie untersuchten, wie das Gehirn der verschiedenen Probanden die neuen Sprachkenntnisse verarbeitete. Dafür wurden ihnen fehlerhafte Sätze vorgespielt und gemessen, wie die Information in ihren Gehirnen verarbeitet wurde. Probanden, die Unterricht erhalten hatten, zeigten dabei neuronale Muster, wie man es von Fremdsprachlern erwartet hätte.
Überraschend war die gemessene Gehirnaktivität jener, die die Sprache unbewusst gelernt hatten: Ihr Gehirn registrierte und verarbeitete die gehörten Fehler so, wie man es sonst nur bei Muttersprachlern beobachtet. Das Fazit der Forscher: Womöglich kann man durch unbewusstes Lernen langfristig ein höheres Sprachniveau erreichen.
Wörter aufsagen – gewusst, wie
Für alle, die Fremdsprachen im Unterricht lernen, stellt sich vor allem die Frage, ob es Strategien gibt, die besonders gut funktionieren. Einige Studien aus der Lernforschung geben Aufschluss darüber, wie sich das Lernen optimieren lässt.
Die These, zum Beispiel, dass lautes Aufsagen zu einem grösseren Lernerfolg führt, stimmt nur bedingt. Wer seinen Lernerfolg steigern wolle, so der kanadische Psychologe Colin MacLeod, solle vielmehr nur manche Inhalte laut aussprechen.
In seiner Studie an der University of Waterloo mussten Probanden Wörter auf unterschiedliche Weisen auswendig lernen – die einen laut, die anderen leise, die dritten teilten die Wörter auf. Die anschliessenden Gedächtnistests zeigten, dass die Erinnerung der Probanden, die alles laut aufsagten, nicht besser war als die Erinnerung jener, die leise lernten.
Die Probanden aber, die nur die Hälfte der Wörter verbalisierten, erreichten ein deutlich besseres Ergebnis. MacLeods Erklärung: Vereinzelt gesprochene und gehörte Wörter grenzen wir in unserer Erinnerung klarer ab – und können sie uns dadurch besser merken. Explizites Lernen lässt sich also optimieren, wenn man nur die wichtigsten Lerninhalte laut ausspricht.
Im Schlaf lernen?
Der grosse Traum, eine Sprache im Schlaf zu lernen, ist nicht so abwegig wie er vielleicht klingt. Eine Studie der Universität Tübingen zeigte, dass sich das Gedächtnis im Tiefschlaf ausbildet. Doch der Hippocampus, unser Zwischenspeicher im Gehirn, kann nur begrenzt Informationen aufnehmen.
Wer also vermeiden will, dass neue Erinnerungen das Gelernte wieder verdrängen, sollte sich direkt nach dem Vokabellernen schlafen legen – auch wenn die Verlockung, den müden Geist noch mit einem Film zu entspannen, sicherlich grösser ist. Doch diese Strategie funktioniert vor allem, wenn man Inhalte wiederholt. Für neuen Lernstoff ist man morgens am aufnahmefähigsten, weil wir dann hoch konzentriert arbeiten können.
Doch ob man nun im Land oder im Unterricht, durch lautes Aufsagen oder «im Schlaf» lernt – nur wer sich lange und intensiv mit einer Fremdsprache beschäftigt, wird sie irgendwann beherrschen. So gilt vor allem die alt bewährte Regel: üben, üben, üben.