Die Teilnahme Israels am ESC wird auch dieses Jahr von verschiedenen Seiten kritisiert. In Basel gibt es während der ESC-Woche diverse Protestaktionen gegen Israel. Gleichzeitig haben die israelischen Behörden eine Reisewarnung für den Besuch des ESC in Basel herausgegeben. Wie geht Israel mit all dem um? Antworten von Gisela Dachs, freie Journalistin in Israel.
SRF News: In Europa, auch in der Schweiz, gibt es kritische Stimmen gegenüber Israels Teilnahme. Wie geht man in Israel mit dieser Kritik um?
Gisela Dachs: Eine solche Situation ist für Israel nichts Neues. Auch beim ESC in Malmö im vergangenen Jahr hat es Versuche gegeben, das Land vom Wettbewerb fernzuhalten. Diese Komponente des ESC, der sich ja gern als unpolitische Veranstaltung gibt, kennt man in Israel schon lange. Die eigene Teilnahme steht deshalb aber nicht infrage.
Es gab Sicherheitswarnungen des israelischen Aussenministeriums. Wie ernst nehmen die Behörden die Lage rund um den ESC in Basel?
Der Nationale Sicherheitsrat hat die Israelis eigens davor gewarnt, sich vor Ort nicht mit ihrer Nationalität zu outen. Die Sorge gilt vor allem Anschlagsgefahr, die ausgehen soll von der Hisbollah, der Hamas oder dem Iran ebenso wie von potenziell gewaltsamen Protesten. Man muss aber sagen: Die Schweiz an sich gilt in Israel eher als ein sicheres Land.
Die israelische Teilnehmerin Yuval Raphael ist Überlebende des Nova-Festivals. In einem Interview sagte sie kürzlich, sie rechne mit Buhrufen aus dem Publikum in Basel. Wird eine Künstlerin darauf vorbereitet?
Ganz sicher. Man lässt sie vor allem nicht allein. Sie ist umgeben von Menschen, die sie in diesen Tagen aus der Nähe unterstützen. Sie steht vor einer doppelten Herausforderung. In Israel kennt man das auch bei internationalen Sportveranstaltungen, bei denen es nicht immer nur um die Teilnahme am Wettbewerb geht, sondern man auch mit nationalen Feindseligkeiten umgehen muss.
Allerdings gab es auch immer wieder Berichte von früheren israelischen ESC-Teilnehmern, die erzählten, dass Mitstreiter beim privaten Gespräch durchaus ihre Sympathien gezeigt haben, aber eben nicht auf grosser Bühne.
Was würden Sie sagen, wie sehr prägt die persönliche Geschichte von Yuval Raphael die Wahrnehmung ihres Auftritts?
In Israel selbst haben die Worte ihres Songs schon eine besondere Bedeutung. «New Day Will Rise» ist mit dem Neuanfang nach dem Trauma vom 7. Oktober verbunden. Und es ist der Tag, an dem Yuval Raphael sich acht Stunden lang unter Leichen versteckt gehalten hat in einem Schutzbunker in der Nähe des Nova-Festivals. Die Musik, so sagt sie selber, sei für sie ein Heilungsprozess gewesen.
Was bedeutet es für Israel, trotz aller Spannungen beim ESC aufzutreten?
Die Teilnahme ist ziemlich wichtig. Es geht den Israelis dabei auch um Zugehörigkeit und somit hat der ESC noch eine ganz andere, tiefere Bedeutung.
Wenn Yuval Raphael auf der Bühne stehen wird, gibt es auch so einen Moment von Gemeinsamkeit, der für Israel in diesen Tagen irgendwie wichtig ist.
Im Nahen Osten kämpft Israel immer noch um die eigene Akzeptanz. So bleibt eine ambivalente, aber doch tiefe Beziehung zum alten Kontinent, der die Juden einst ausgespuckt und ermordet hat, in dem aber auch die Wurzeln der Staatsgründer liegen. Das ist ja gerade in Basel der Fall, wo Theodor Herzl einst seine Vision vom eigenen Staat verkündet hat. Heute ist die israelische Gesellschaft politisch zwar wieder gespalten, aber ich denke, wenn Yuval Raphael auf der Bühne stehen wird, gibt es auch so einen Moment von Gemeinsamkeit, der für Israel in diesen Tagen irgendwie wichtig ist.
Das Gespräch führte Dominik Rolli.