Es wird eine lange Nacht. Das ist für den 54-jährigen Thomas Napierski von Anfang an klar. Der technische Mitarbeiter ist morgens um 7 Uhr aufgestanden und hat sich am Nachmittag nochmals etwas hingelegt. Und ergänzt sogleich: «Aber dieser Schlaf ist natürlich nicht gleich erholsam.»
Im Werkstattbüro
An einem Sonntagabend versammelt sich das vierköpfige Team rund um Thomas Napierski am Standort Zürich Leutschenbach. Der Raum ist eine Mischung aus Büro und Werkstatt. An den Wänden hängen Kontaktlisten, einfache Schaltpläne und sowohl eine klassische Uhr wie auch eine digitale Zeitanzeige. Es ist bereits nach 22 Uhr und dank des anstehenden Umschalttests ist noch lange nicht an den Heimweg zu denken. «Wenn wir nach heute in Bern antraben müssen, haben wir etwas verbockt», scherzt ein Arbeitskollege von Thomas Napierski. Die Stimmung ist gelöst und die vier Mitarbeitenden sind trotz der späten Uhrzeit bester Laune. Zumindest Zweiteres soll sich auch mit Fortdauer der Nacht nie ändern.
«Vereinfacht ausgedrückt testen wir heute, was bei einem Ausfall der örtlichen Stromversorgung passiert», erläutert Thomas Napierski den Umschalttest. Dass dies eine grössere Übung ist, wird spätestens beim Zusammenkommen aller involvierten Teams um 23.30 Uhr klar. Der Plan für die Nacht wird nochmals durchgegangen, Funkgeräte und Verpflegung werden ausgehändigt.
Seit rund zwölf Jahren ist Thomas Napierski bereits in der Schweiz. Und seit vier Jahren sorgt der Deutsche etwa dafür, dass alle SRF-Mitarbeitenden am Standort Zürich über ausreichend Strom und Licht verfügen. Davor war er bereits zwei Jahre als externer Mitarbeiter regelmässig auf dem Areal unterwegs.
Ich war schon immer ein Tüftler
«Ja, ich wechsle auch einfach mal ‘ne Glühbirne aus», bestätigt Thomas Napierski mit einem Lachen. Daneben ist er für die Storen- und Lichtsteuerung auf dem Areal zuständig. Er arbeitet grösstenteils bei Tageslicht und in Zürich. Doch ungefähr jeden zweiten Monat stemmt er einen 24/7-Pikettdienst und durch den Sendebetrieb werden von ihm auch regelmässige Abend- und Nachtschichten gefordert. Auch Unterstützungseinsätze am SRF-Standort Bern können vorkommen.
Bereits sein Vater hat im Dorf, in dem Thomas Napierski aufgewachsen ist, als «Stromer» in einem Elektrofachgeschäft gearbeitet. Für ihn ist seine heutige Tätigkeit eine logische Konsequenz: «Ich war schon immer ein Tüftler und im Service löst du Probleme, das gefällt mir.»
Ein Druck der anderen Sorte
Zurück beim Umschalttest. Die Anspannung bei Thomas Napierski steigt langsam. Über die Evakuierungsanlage läuft eine leicht sphärische Musik in Dauerschleife. Zusammen mit einem externen Techniker werden nun verschiedene kleinere und grössere Geräte, sogenannte unterbruchsfreie Stromversorgungen (USV), auf dem Areal geprüft: Sind die Batterien in gutem Zustand? Gibt es Auffälligkeiten? «Wenn etwas schiefgeht, merkt es die ganze Deutschschweiz. Es ist anders als bei einer ‹normalen› Firma», beschreibt Thomas Napierski den Druck, den seine Arbeit und dieser Nachteinsatz im Speziellen mit sich bringt. Bei einem Fehler, so der technische Mitarbeiter, schade man im schlimmsten Fall dem Ruf des ganzen Unternehmens.
Achtzehn Sekunden Dunkelheit
In der Zwischenzeit sind die USVs geprüft und die Mitarbeitenden des örtlichen Elektrizitätswerks eingetroffen. Die Uhr zeigt 00.30 Uhr an und der eigentliche Umschalttest rückt näher – und damit steigt auch der Puls von Thomas Napierski.
Die Mitarbeitenden des Elektrizitätswerks rüsten sich mit Schutzkleidung aus. Von den rund zehn involvierten Teams wird über Funkspruch die Freigabe eingefordert. Das finale Signal ertönt kurz nach 1 Uhr. Thomas Napierski überwacht den Vorgang. Die Hauptverteilung wird abgeschaltet. Das grelle Licht geht schlagartig aus.
Nach rund achtzehn Sekunden füllt sich die Dunkelheit wieder mit Licht. Und damit löst sich auch ein Teil der Anspannung spürbar. Darauf wird von allen Teams ein Statusbericht eingeholt. «Alles in Ordnung», ertönt es nach und nach aus dem Funkgerät.
Beim folgenden, zweiten Test dann kurze Verwirrung. Das Elektrizitätswerk hatte einen anderen Ablauf vorbereitet. Doch auch in diesem Moment lässt sich Thomas Napierski nicht aus der Ruhe bringen und strahlt Gelassenheit aus.
600 Sicherungskästen, vier Mitarbeitende
Für Thomas Napierski und seine Kollegen beginnt die Arbeit nun erst richtig. Die USVs müssen nochmals auf allfällige Schäden überprüft werden. Zudem warten auf dem Areal verteilt knapp 600 Sicherungskästen auf die vier Mitarbeitenden. Thomas Napierski nimmt sich des dreizehnstöckigen Hochhauses an, aufgrund des laufenden Tests ohne Lift. Während des Treppensteigens sagt er lachend: «Wir sind halt sehr viel auf den Beinen. Auf den Schrittzähler brauchst du erst gar nicht schauen.»
«Werde einen Kaffee mehr benötigen»
«Ich werde am Dienstag schon einen Kaffee mehr benötigen», kündigt Thomas Napierski an. Es dauert jeweils fast zwei Tage, bis er den normalen Rhythmus wieder habe. Augenzwinkernd fügt er an: «Das wird mit dem Alter nicht weniger.» Zufrieden mit dem Verlauf der gesamten Übung endet dieser Nachteinsatz für Thomas Napierski um 5 Uhr. Immerhin ist der Heimweg nach Winterthur kurz. «Und es gibt keinen Grund dafür, dass wir in Bern vorstellig werden müssten», ergänzt er schmunzelnd und geht davon.