Schön sehen sie aus, in ihrer meist schwarzen Tracht, eindrücklich die Masse an glänzendem Holz und poliertem Blech, atemberaubend ist das Zusammenspiel. Wenn man sich einem Orchester gegenübersieht, herrscht meist eingeschüchterte Glückseligkeit. Dass MusikerInnen aber nicht nur aus Liebe zur Musik arbeiten, sondern dass der Beruf eines Orchestermusikers ein hartes Business ist, das erzählt die Schweizer Autorin Nicole Bachmann in ihrem neuesten Hörspiel.
Tatort Orchestergraben
Wir folgen Mirjam Gugger – etwa 40jährig, Mutter zweier Kinder, Violinistin in einem Schweizer Profiorchester. Gespielt wird sie von Sarah Spale, für die es die erste Hörspielproduktion ist.
Do [im Hörspiel] muess mer öpis nur dur d Stimm transportiere und chan das ned id Emotione legge wo mer i de Auge oder em Usdruck gseht. Die [Emotione] muess mer hörbar mache und das isch für mich en neui Erfahrig – macht aber sehr vel Spass!
Konkurrenzdruck, lange Tourneen, Arbeiten in den Abendstunden und am Wochenende – das bringt einige Hürden für das Familienleben. Und jetzt sieht das Orchester auch noch der grössten Sparmassnahme aller Zeiten entgegen. Droht schon bald die Arbeitslosigkeit?
Mirjams künstlerisches Selbstwertgefühl ist schon lange im Keller. Schuld daran trägt vor allem der Konzertmeister, Marius Nussbaum. Der «Kröterich» macht den KonzertmusikerInnen das Leben zur Qual – mit Sticheleien, Beleidigungen, Anschuldigungen. Als dann auch noch ein brutaler Mord in den Reihen des Orchesters stattfindet, scheint alles auseinanderzubrechen.
Welche Stimmen sind zu hören?
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Bild 1 von 8. Sarah Spale als Mirjam (Miri) Gugger Reinmann, Violinistin. «Das Orcheschter isch wie ne Familie für mi. E grossi, luti, schtändig schtritendi Familie, wo n'ich liebe due.». Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 8. Gottfried Breitfuss als M. Nussbaum (Kröterich), Konzertmeister. «Du spielst schlampig, unsauber, unsicher. Wenn ich an den Schumann letzte Saison denke … eine Katastrophe.». Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 8. Urs Jucker als Robert (Robi) Reinmann, Mann von Miri. «Und jetzt willsch du elläi dort ane … falls du rächt hesch, Miri, triffsch du uf e Mörder.». Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 8. Vera Bommer als Francesca Siliberti, Flötistin. «Wieder Vorspielen? Oh nein, nicht mit mir. Da geh ich lieber wieder im Hirschen servieren.». Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 8. Yves Raeber als Jean-Luc, Cellist. «Wir hätten den Kröterich schon vor Jahren loswerden sollen.». Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 8. Gilles Marti als Serge, Praktikant im Orchester. «S dreigschtrichene B, das muess ich äifach … do bin ich exponiert … ich dörf nit … nit dasmol.». Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 8. Victor Kraslavskiy als Andrei, Oboist. «Ich hätte Geige längst verkauft. Für mich kein Problem: lots of connections.». Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 8. Christian Knüsel als Adrian Zumbrunn, Dirigent. «Dürfte ich um Ruhe bitten? Ich hampel hier vorne doch nicht zu meinem Vergnügen herum!». Bildquelle: Ingo Hoehn.
Eine Autorin, die die ganze Klaviatur des Hörspiels bedient
«Es ist Nicole Bachmanns zweites Hörspiel und sie sitzt schon sattelfest im Genre. Ihre Stücke haben etwas zu erzählen und sind gleichzeitig sehr unterhaltsam, ohne je ins Seichte abzugleiten.», findet Regisseurin Susanne Janson. «Bei Nicole Bachmann verschmelzen «U» und «E» zu einer gekonnten Synthese, perfekt für eine breite Hörerschaft. Krimi- und Lebensgeschichten verwebt sie unterhaltsam ineinander. Die Szenen sind abwechslungsreich, die Figuren und ihre Sprache lebensnah, in die Stückdramaturgie sind tolle Plotpoints und Akzente eingebaut.
So liess sich Nicole Bachmann beispielsweise von Ernst Burrens «D’Nacht vor de Prüefig» von 1981 inspirieren; ein Monolog, in dem die Prüfungsangst eine junge Frau um den Schlaf bringt. Dieses Motiv spiegelt sich in der Figur des Flötenpraktikanten Serge (gesprochen von Gilles Marti) wider, dessen «Angstmonolog» sich wie ein nervöses Tremolo durch das Hörspiel zieht.»
Ohne Orchester geht es nicht
Ein Stück, das auch Einblick hinter die Kulissen eines Klangkörpers geben soll, braucht mehr als den willkürlichen Probenmitschnitt irgendeines Orchesters. Keine leichte Knacknuss für Regisseurin Susanne Janson, denn Orchesterzeit ist wertvoll – und meistens knapp. Doch das Neue Orchester Basel war sofort bereit, an diesem Projekt mitzuwirken. Das Basler Sinfonieorchester mit vorwiegend jungen MusikerInnen liess sich während einer musikalischen Probe gerne von der Regisseurin inszenieren – Dirigent Christian Knüsel übernahm sogar den Sprechpart des Dirigenten Zumbrunn. So war es möglich, die fiktive Geschichte mit einem klangechten Orchester zu verbinden.
Im Hörspiel geht es auch um eine besonders wertvolle historische Geige: Lady Agatha. Für das Hörspiel hat Vladyslava Luchenko, erste Konzertmeisterin des Sinfonie Orchesters Biel/Solothurn, eine Geigenkadenz auf einem historischen Instrument eingespielt. Es handelt sich dabei um eine «Francesco Gobetti»-Violine von 1710, die Ihr als Leihgabe aus einer privaten Kollektion zur Verfügung gestellt wird.
Cast
Mit: Sarah Spale (Mirjam Gugger Reinmann), Urs Jucker (Robi Reinmann), Gottfried Breitfuss (Marius «Kröterich» Nussbaum / Felix Brunswicker), Vera Bommer (Francesca Siliberti), Yves Raeber (Jean-Luc), Gilles Marti (Serge), Victor Kraslavskiy (Andrei), Christian Knüsel (Adrian Zumbrunn), Sara Capretti (Marion Kleiber), Dimitri Stapfer (Sämi Fierz), Christoph Wettstein (Giancarlo), Martin Hug (Konzertbesucher), Gina Durler (Konzertbesucherin), Jeanne LeMoign (Valerie), Olivier Günter (Sandro), Mario Gutknecht (Nachrichtensprecher)
Komposition: Mirjam Skal – Tontechnik: Basil Kneubühler – Dramaturgie und Regie: Susanne Janson – Produktion: SRF 2022 – Dauer: 58