Das ist SRF Hörspiel: Ob als aktuelles Dialekt-Hörspiel, als rasant inszenierter Radio-Krimi oder als intimes Hörstück, es erwarten Sie überraschende Hörgeschichten
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Magda Woitzuck, das Thema «Gewalt» beschäftigt Sie in Ihrer Arbeit immer wieder. Im Roman haben Sie dafür eine erschreckend nüchterne Sprache gefunden. Im Hörspiel kommt es zu teils drastischen Gewaltausbrüchen. Wie reagieren Sie als Autorin darauf?
Im Roman ist Hans, der gewalttätige Ehemann, jemand, dessen Innenansicht das Publikum nicht kennt und dessen Figur grossteils über die Erinnerungen der anderen Protagonisten erzählt wird. Im Hörspiel wurde aus ihm Der-nie-zu-Wort-Kommende, der im Hintergrund tobt. Und so ist es ja oft, bei jeder Form von Gewalt – man will sie wegdrücken, nicht darüber reden. Aber sie ist immer irgendwie laut und da, egal, wie weit man sie wegzuschieben sucht.
Dabei ist Gewalt omnipräsent. Ich glaube auch, dass jeder oder jede von uns zu großer Gewalt fähig ist, aber da schauen wir nicht gerne hin. Gewalt passt nicht in das Bild, das wir uns von uns machen. Die Fähigkeit zur Gewalt, ihre Legitimisierung, das Ertragen von Gewalt – das sind Themen, die mich schon seit der Schule faszinieren, als wir die Weltkriege durchgenommen haben.
Menschliche Gewalt hat eine hochkomplexe Natur, ein Beispiel dafür ist etwa das Selbstbildnis von Tätern wie Adolf Eichmann. Im Krimi gibt es immer eine Erklärung, warum der Täter gemordet hat, als gäbe es für Gewalt nur eine Ursache, eine einfache Lösung. Die gibt es aber nicht. Wir lassen uns nur zu gerne dazu verleiten, das zu glauben, vielleicht, weil wir uns nach einfachen Antworten sehnen, weil wir eben nicht allzu genau hinschauen wollen.
Kann Gewalt in der Kunst überhaupt angemessen dargestellt werden?
Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden. Tiere tun keine Gewalt an, weil sie einen grossen Plan verfolgen. Sie treten oder beissen meist dann, wenn Grenzen nicht gewahrt werden, die sie vorher angezeigt haben. Das ist eine sehr schlichte, direkte und effektive Form von Gewalt, denn wer ein Mal einen Tritt von einem Pferd kassiert hat, wird alles daran setzen, dass das nicht nochmal passiert. Gewalt kann also komplexe Ursachen haben, aber auch ganz einfache.
Seltsamer Weise ist es mit der Darstellung von Gewalt in der Kunst manchmal ein bisschen so, wie mit der Darstellung von Pferden. Noch nie habe ich eine Figur sagen hören: «Stell dich ja nie hinter ein Pferd, wenn es dich tritt, kann es sein, dass du danach keine Zähne mehr hast». Nein, Pferde sind immer brav und schön. Auf dieselbe Art wird oft auch mit Gewalt verfahren.
Sie sind eine erfahrene Hörspiel-Autorin. Aber die Aufgabe, Ihren ersten Roman ins Hörspiel zu transferieren, wollten Sie nicht übernehmen. Warum?
Ich wollte die Hörspiel-Bearbeitung nicht selber machen. Die verschiedenen Zeitebenen und die wenigen, oft aneinander vorbeigehenden Dialoge im Buch schienen mir «unverhörspielbar». Ich lag daneben. Der Bearbeiter und Regisseur Alexander Schuhmacher hat eine klare, konzentrierte Entscheidung getroffen und sich auf die Dreiecksbeziehung fokussiert. Ich wäre dazu nicht in der Lage gewesen. Ich glaube, wegen dieser klaren Haltung fehlt mir absolut nichts.
Wie würden Sie die Machart des nun fertigen Hörspiels beschreiben?
Obwohl es sehr verdichtet ist, ist es nicht dicht – so etwas muss einmal gelingen. Was auch gelingen muss, ist der Umstand, beim Hören Zeitsprünge zu verstehen. Das ist ja immer eine besondere Schwierigkeit. Und: die Wechsel zwischen Ort und Nicht-Ort, Innen und Außen gelingen ebenso mühelos. Da ist einerseits der Einsatz der Musik, andererseits der völlig organisch wirkende Übergang von einem Raum in den anderen, den man nicht aktiv hört, aber sehr wohl spürt.
Mal sind die Stimmen ganz vorne, mal weiter hinten. Innere Gedanken und laut Gesprochenes gehen ineinander über, ohne dass es mich beim Hören aus der Kurve haut, ja, ohne dass ich beim Hören darüber nachdenken muss, was ich höre. Vor allem für diese assoziativen Elemente bin ich dankbar, und für den akustischen Unterbau, denn die beiden Dinge sind es wohl, die das Spüren ermöglichen.
Durch seine Machart ragt das Hörspiel aus dem «A sagt, B sagt»-Muster heraus, das häufig bemüht wird aus Sorge, das Publikum könnte nicht alles verstehen. Ich mache mir gar keine Sorgen, dass da irgendetwas nicht verstanden werden könnte. Überhaupt, das Hörspiel berührt mich, und ich hoffe, es wird die Hörenden ebenso berühren.
Was hat sie beim Hören des Hörspiels am meisten überrascht?
Ich wusste nicht, wo die Reise mit diesem Hörspiel hingeht. Und was mich wirklich überrascht hat, sind die monologisch-dialogisch montierten Sequenzen, dieses assoziative Erzählen, dem ich als Hörerin von der ersten Sekunde an vertraut habe. Ich habe mich sofort fallen lassen, auch, wenn ich es nicht gleich im allerersten Moment verstanden habe. Und das ist es doch, worum es bei der Kunst geht: etwas zu hören, zu lesen oder zu sehen, das sich nicht auf den ersten Blick erschliesst, das aber dennoch bannt und hineinzieht, etwas spüren lässt. Es ist eben nicht nur der Kopf, der uns begreifen lässt, es ist auch unser Gefühl, und alle, die schon einmal in einer (nicht nur komplizierten) Beziehung waren, wissen, dass jede ihre Tücken, ihr Unausgesprochenes, ihre Fallhöhen und Geheimnisse hat. Von Hörspielen wünsche ich mir, dass sie nach Leben klingen; sie dürfen sich vom Sound her ruhig ein bisschen dreckig anhören.