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4.10.11: Abgelaufenes Fleisch: Bschiss an der Frischfleischtheke
Aus Kassensturz vom 04.10.2011.
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Konsum Abgelaufenes Fleisch im Offenverkauf

Ehemalige Mitarbeiter einer Coop-Filiale erheben schwere Vorwürfe: Sie hätten regelmässig Fleisch vom Selbstbedienungs-Regal auspacken und auch Tage nach dem Verbrauchsdatum an der Frischfleisch-Theke verkaufen müssen. Coop bestreitet die Vorwürfe.

Metzger F. G. (Name von der Redaktion geändert) arbeitete bis Anfang Jahr als Fleischfachverkäufer in der Coop-Filiale im freiburgischen Plaffeien. Er hielt es nicht lange aus. Denn im Offenverkauf an der Theke habe er Fleisch verkaufen müssen, bei dem das Verbrauchsdatum schon abgelaufen war.

«Am Buffet haben wir dieses Fleisch als Frischfleisch verkauft. Ohne dass die Kunden das wussten», sagt F. G. Coop-Mitarbeiter hätten Fleisch bis zum letzten Verkaufstag aus dem Regal geholt und ausgepackt.

Pouletbrüstchen etwa seien dann geschnetzelt, mit anderem Fleisch vermischt und in die Theke gelegt worden. Auch Tage nach dem Verbrauchsdatum wurde das Fleisch noch angeboten.

Verkauf unter falschem Label

Dabei hätten sie auch konventionelles Fleisch als Labelfleisch verkauft. «Das heisst, Nicht-Naturafarm-Fleisch wurde am Buffet aufs Mal als Naturafarm-Fleisch angeboten. Import-Fleisch wurde als Schweizer Fleisch verkauft», sagt der Metzger.

Fleisch mit Rabattkleber, das am letzten Verkaufstag heruntergesetzt worden war, hätten sie ausgepackt und dann an der Frischfleisch-Theke den vollen Preis verlangt.

Fleisch in der Offentheke
Legende: Was hinter der Theke ablief, blieb dem Kunden verborgen SRF

Gehandelt habe er auf Anweisung seines Vorgesetzten in der Coop-Filiale Plaffeien. Das führte zum Konflikt. F. G. sagt, er habe sich bis zu seiner Entlassung immer wieder gewehrt und die Verstösse intern gemeldet. Vergeblich.

Wenig Transparenz an der Theke

Den Kunden blieb all dies verborgen. Denn nur bei verpacktem Fleisch in der Selbstbedienung ist eine detaillierte Deklaration Vorschrift. Auf dem Etikett ist meist das letzte Verkaufsdatum aufgedruckt und immer ein Verbrauchsdatum angegeben. Das Fleisch kommt fertig verpackt und etikettiert in die Filiale.

Wer Fleisch kurz vor Ablauf kauft, erhält häufig Rabatt. An der Theke hingegen gibt es diesen Rabatt nicht: Verkaufs- und Verbrauchsfristen sind für Kunden weniger transparent. Nur auf Nachfrage muss der Metzger Auskunft geben.

Verbrauchs-Datum gilt als Verderbs-Datum

Jeder Metzger ist selbst verantwortlich dafür, dass er kein verdorbenes Fleisch verkauft. Das Gesetz schreibe nicht vor, wie lange Fleisch als haltbar gelte, sagt der St.Galler Kantonschemiker Pius Kölbener.

Aber das aufgedruckte Verbrauchsdatum ist verbindlich. «Das ist eigentlich ein Verderbsdatum», erklärt Pius Kölbener. «Wenn dieses Datum überschritten ist, dann muss das Fleisch als für den Konsum nicht mehr geeignet angeschaut werden.»

Die Kantonslabore kontrollieren regelmässig Fleisch aus Metzgereien. Aber: Ob Fleisch nach dem Verbrauchsdatum verkauft wurde, ist kaum festzustellen. Denn auch abgelaufenes Fleisch ist nicht sofort verdorben. Und: Kantonslabore analysieren Lebensmittel nur stichprobenweise auf Keime.

Verstösse mit dem Handy fotografiert

Ein weiterer ehemaliger Mitarbeiter der Coop-Filiale Plaffeien erhebt die gleichen Vorwürfe wie F. G. Er verliess Coop deshalb im Streit. Er berichtet, dass neben Fleisch auch Fisch nach Ablauf des Verbrauchsdatums im Offenverkauf angeboten worden sei.

Einzelne Verstösse habe er mit seinem Handy dokumentiert. Er zeigte die Fotos seinen Vorgesetzten. Doch die Kunden seien weiter getäuscht worden. «Wir mussten die Leute zeitweise anlügen. Sonst hätten wir das Fleisch nicht verkaufen können», sagt unser Zeuge.

Drei Zeugen

Auch ein dritter ehemaliger Mitarbeiter der Coop-Filiale Plaffeien bestätigt gegenüber «Kassensturz» schriftlich die schwerwiegenden Vorwürfe. Kassensturz konfrontiert Coop damit. Die Verantwortlichen bestreiten die Schilderungen vehement. Über die Metzgerei in Plaffeien seien keine Kundenreklamationen eingegangen.

Coop: «Keine Verstösse»

«Wir haben von diesen Vorwürfen gehört und diesen Vorwürfen liegt ein Arbeitskonflikt zu Grunde», sagt Coop-Sprecherin Susanne Sugimoto.

«Wir haben natürlich sofort begonnen, die Kontrollen innerhalb der Filiale zu verstärken. Wir haben ein externes Labor, das viele Kontrollen gemacht hat und das kantonale Labor hat Kontrollen gemacht. Weder aus hygienischer Sicht noch in Sachen Täuschung haben wir irgendeinen Verstoss feststellen können», sagt Coop.

Coop betonte gegenüber «Kassensturz», ihre Metzger hätten klare Vorgaben beim Umgang mit Fleisch. Dazu gehört auch: Waren auspacken ist erlaubt. Der Metzger darf zum Beispiel Pouletbrüstli aus der Selbstbedienung auspacken, marinieren und im Offenverkauf als mariniertes Poulet oder Geschnetzeltes anbieten. Bis zum letzten Tag der Verkaufsfrist.

Fleischstücke nah
Legende: Wer Fleisch kurz vor Ablauf kauft, bekommt meist Rabatt. An der Offentheke ist das jedoch nicht der Fall SRF

Einfrieren bis zum letzten Tag erlaubt

Um Überschüsse zu verwerten, sei dieses Vorgehen erlaubt, sagte der Coop-Qualitätsverantwortliche Silvio Raggini: «In Bezug auf klar definierte Produkte dürfen sie beispielsweise ein Poulet nehmen und aufbacken für den Heissverkauf. Immer innerhalb der Verkaufsfrist.»

Bis zum letzten Verkaufstag ist es Coop-Metzgern erlaubt, gewisse Fleischprodukte auch einzufrieren. Zum Beispiel marinierte Pouletschenkel: Diese dürfen die Metzger bis zum letzten Verkaufstag einfrieren, innert zweier Monate auftauen und im Warmverkauf anbieten.

Wie oft kommt es vor, dass Coop-Metzger Fleisch wieder auspacken? In einem kleinen Prozentbereich sei dies möglich, sagte dazu Silvio Raggini.

Coop hat inzwischen auf die Berichterstattung von «Kassensturz» reagiert und die eigenen Richtlinien verschärft. Neu ist es bei Coop generell verboten, Ware aus der Selbstbedienung auszupacken «und als Rohware und über den Offenverkauf anzubieten.»

Was sagt das Gesetz?

«Es geht nicht, dass man nach Ablauf des Verbrauchsdatums etwas auspackt und in den Offenverkauf tut», sagt der St.Galler Kantonschemiker Pius Kölbener. Solange alles nachvollziehbar sei, erlaube das Gesetz aber das Einfrieren oder Auspacken von Fleisch bis zum Verbrauchsdatum. «Das ist erlaubt.», sagt Pius Kölbener.

Was Kunden nicht wissen: Fleisch auszupacken und im Offenverkauf anzubieten ist für Detailhändler gängige Praxis. Bei Migros bestimmen die regionalen Genossenschaften die Regeln.

Migros Zürich etwa untersagt das Auspacken von Fleisch, andernorts ist das aber erlaubt – innerhalb der Verkaufsfrist und in absoluten Ausnahmefällen, wie Sprecherin Monika Weibel betont: «Bei Poulet ist das Auspacken wegen der Hygienevorschriften untersagt. Aber beim roten Fleisch ist das erlaubt.»

Andere Detailhändler sind strenger

Eine Umfrage von Kassensturz zeigt: Volg und Manor verbieten das Auspacken von Fleisch (siehe Kästchen). Coop, Migros und Spar, die aufgetautes Fleisch oder aufgetauten Fisch offen anbieten, deklarieren dies auf den Etiketten an der Theke: Auf folgende Begriffe sollten Konsumenten achten: «Aufgetaut» oder «Nicht wieder tiefkühlen».

Stellungnahmen der anderen Detailhändler

  • Manor: Fleisch darf nicht umgepackt, umetikettiert, in den Offenverkauf verschoben oder eingefroren werden. Überzählige, nicht mehr verkaufbare Ware wird vernichtet.
  • Volg: Die Metzgereien in den Volg-Läden werden von eigenständigen Metzgern geführt. In den Volg-Läden ist jeder Metzger für seinen Betrieb selber verantwortlich. Grundsätzlich können wir festhalten, dass abgepacktes Fleisch (aus dem Volg-Sortiment) nie ins Sortiment des Metzgers verschoben wird. Abgepacktes Fleisch gelangt also nie in den Offenverkauf oder wird dem Metzger zur Weiterverarbeitung überlassen.
  • Spar: Vakuumierte Fleischstücke (z.B. Nierstücke) für die Selbstbedienung werden in der Regel nicht ausgepackt für den Offenverkauf. Dies kann aber vorkommen, z.B. bei Aktionen. Hier sind klare Regeln einzuhalten wie: das Fleisch darf nur innerhalb des Original-Verkaufsdatums angeboten werden und die Beschriftung muss der Original-Etikette entsprechen. Fleisch, das unter Schutzatmosphäre verpackt ist, wird nicht ausgepackt und an der Fleischtheke im Offenverkauf angeboten.

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