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Arbeit Ausgenutzt und unterbezahlt: Brezelkönig-Mitarbeiter packen aus

Mitarbeiter, die für Valora-Tochter Brezelkönig Brezeln verkaufen, klagen: Der Chef bezahlt geleistete Arbeitsstunden nicht, verweigert Sonntagszuschläge und verlangt angebliche Kassen-Fehlbeträge zurück. Das ist alles illegal. «Kassensturz» über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Brezelkönig.

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In der Hoffnung auf ein besseres Leben zog Anna T. letztes Jahr aus Ungarn in die Schweiz. Sie hatte eine Stelle bei Brezelkönig in Winterthur. Anna T. arbeitete anfangs zwei Monate lang schwarz und wurde bar auf die Hand bezahlt. Gewohnt hat sie lange in der Wohnung ihres Chefs und seiner Frau. Unter der Treppe. «Mein Zimmer war ein Abstellraum, gedacht für Putzmittel, Staubsauger, Bügelbrett. Dort habe ich auf Matratzen geschlafen.»

Zu wenig Lohn ausbezahlt

An zwei Brezelständen am Bahnhof Winterthur verkaufte sie neun Monate lang Brezeln. Sie spricht kaum Deutsch. Ihr Chef ist ebenfalls Ungar. In seinem Team arbeiten fast nur Landsleute, ohne Deutschkenntnisse, die auf die Arbeit angewiesen sind. Anna T. verdiente im Schnitt knapp 3000 Franken. Regelmässig wurden ihr aber weniger Stunden ausbezahlt als sie gearbeitet hatte. Auch vertraglich zugesicherte Feiertags- und Sonntagszuschläge hat sie nie bekommen.

Rückzahlungen in bar

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Doch damit nicht genug: Monat für Monat mussten Anna T. und ihre Kollegen Geld zurückzahlen. Mehrere hundert Franken pro Monat verlangte ihr Chef bar auf die Hand. Geld für angebliche Fehlbeträge in der Kasse. Dies wegen eines Vertrags der Firma Brezelkönig. Er verpflichtet die Mitarbeiter, für Löcher in der Kasse, sogenannte Inventurdifferenzen zu bezahlen. Jeder Mitarbeiter muss sich am finanziellen Risiko beteiligen. Der Fehlbetrag wird jeweils aufgeteilt. «Wenn jemand nicht unterschreiben wollte, drohte ihm der Chef mit der Kündigung», sagt ein anderer Mitarbeiter.

Verantwortlich für diese Zustände: Die Firma Zsiray Backwaren, die beide Brezelstände in Winterthur betreibt. Chef ist Andras Zsiray. Auf Fragen von «Kassensturz» wollte er nicht antworten.

Illegaler Vertrag

«Diese Vereinbarung ist rechtswidrig und damit unwirksam», sagt der Experte für Arbeitsrecht Roger Rudolph. Angestellte würden nicht pauschal für Risiken haften. Wer das Geld bereits einbezahlt habe, könne dieses vom Arbeitgeber oder auf dem Rechtsweg zurückfordern.

Die Firma Brezelkönig gehört Valora, einem Handelsunternehmen mit Milliardenumsatz. Valora betreibt die Brezelstände nicht selbst, sondern vergibt sie an Kleinunternehmer. Dieses System ist im Detailhandel weit verbreitet und als Franchisesystem bekannt. Mehr zu diesem System erfahren Sie hier .

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«Mit diesem System probieren grosse Konzerne, das Risiko an einen Franchisenehmer zu überwälzen», sagt Natalie Imboden von der Gewerkschaft Unia. Dieser könne die Miete nicht beeinflussen, auch das Sortiment sei vorgegeben. «Der einzige Punkt, bei dem er sparen kann, sind die Löhne und das wird genau gemacht. Das geht so nicht.» Immer wieder melden sich bei der Gewerkschaft verunsicherte Angestellte von Valora-Tochterfirmen: Valora habe eigentlich einen Gesamtarbeitsvertrag, der Minimalstandards regelt. Aber die Franchisenehmer seien diesem nicht unterstellt: «Da wird mit dem Franchisesystem der Gesamtarbeitsvertrag umgangen, der wichtig wäre zum Schutz der Leute.»

Valora schreibt dazu: Das Einhalten des Arbeitsgesetzes sei die Verpflichtung eines jeden selbständigen Brezelkönig-Partners. Valora würde Verstösse nicht tolerieren. Würden Fehlleistungen festgestellt, so würde Valora Korrekturen veranlassen und wenn nötig Konsequenzen ziehen.

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