Der St. Galler Detailhändler Spar beschäftigt über 1200 Angestellte. Ein Unternehmen, das von sich selbst behauptet, es käme seiner sozialen Verantwortung nach. Letzten Mai sucht Spar einen Prozessbetreuer für die EDV-Abteilung. Die 40-jährige N. will anonym bleiben. Die erfahrene Einkäuferin bewirbt sich und scheint die Idealbesetzung zu sein – Abteilungsleiter und Teamchef entscheiden sich schnell für sie.
«Zu grosses Risiko»
Auf Wunsch des Abteilungsleiters füllt N. vor Ort ein Frageblatt der Personalabteilung aus. Darunter die Frage nach gesundheitlichen Problemen, die sie nur mit Ja oder Nein habe beantworten können. «Also gab ich ehrlich zu, dass ich an Diabetes Typ 2 leide», sagt N. Einen Grund zum Lügen habe sie nicht gesehen, weil die Zuckerkrankheit sich überhaupt nicht auf ihre Arbeitsleistung auswirke.
Dennoch verlangt Spar sofort per Mail nähere Angaben zu ihrer Diabetes. Mit einem Arztzeugnis kann N. belegen, dass sie voll leistungsfähig ist und keine Komplikationen zu erwarten sind. Trotzdem: Spar sagt ihr telefonisch ab. Der Manager habe ihr als Begründung gerade heraus gesagt, dass sie für Spar ein zu grosses finanzielles Risiko darstelle. Im Falle einer Invalidität könnte sie für das Unternehmen Kosten von 250'000 Franken verursachen.
Unzulässige Fragen
Sind Fragen nach gesundheitlichen Beschwerden überhaupt erlaubt? Wie neugierig dürfen Arbeitgeber sein? Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser: «Die Frage nach gesundheitlichen Beschwerden ist zulässig, wenn die Gesundheit tatsächlich einen Zusammenhang hat mit dem Arbeitsverhältnis.» Habe sie das nicht, sei die Frage unzulässig.
Spar will sich nicht vor der Kamera äussern. Das Unternehmen beruft sich auf die Vertragsfreiheit und rechtfertigt das Frageblatt der Personalabteilung. Spar schreibt: «Es ist allgemein anerkannt, dass im Rahmen der Bewerbung Fragen nach aktuellen Krankheiten, die die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers betreffen, zulässig sind. Von einer unzulässigen Frage kann damit keine Rede sein.»
Doch N. sagt, Spar habe sie ganz allgemein nach gesundheitlichen Beschwerden gefragt. Das darf Spar nicht.