Mit Bildern aus einem «Bravo»-Heft hatte sich vor einigen Jahren die eidgenössische Personal-Rekurskommission zu befassen. Genauer gesagt mit der Beschwerde eines Militäroberkrankenpflegers. Der Mann zeige Nacktbilder von Männern einer ihm unterstellten Arbeitskollegin. Diese fühlte sich sexuell belästigt.
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Vor Gericht versuchte der Oberpfleger, die Empörung seiner Kollegin in Frage zu stellen. Es sei nur schwer vorstellbar, fand er, dass Bilder aus einer Zeitschrift für Teenager eine erwachsene und erst noch im Medizinalbereich tätige Frau schockieren könnten.
Auf das Empfinden kommt es an
Doch mit dieser Argumentation stiess er vor Gericht auf taube Ohren. Der Oberpfleger hätte wissen müssen, dass es seine Arbeitskollegin als unangenehm und unerwünscht empfinden müsse, von ihrem Vorgesetzten männliche Nacktfotos gezeigt zu bekommen.
Ein Vorgesetzter habe sich höflich und taktvoll zu benehmen. Daran ändere auch nicht, dass die Kollegin in einer Männerwelt arbeite.
Ein Einzelfall? Keineswegs. In einer Erhebung des Büros für Gleichstellung gab ein knappes Drittel der 2000 Befragten an, in den letzten zwölf Monaten am Arbeitsplatz sexuell belästigt worden zu sein. Rund die Hälfte aller Befragten haben solche Erfahrungen irgendwann in ihrer beruflichen Laufbahn gemacht.
Erstaunlich gering ist der Geschlechtsunterschied: 55% der Frauen wurden Opfer von sexuellen Belästigungen, bei den Männern sind es fast 49%. Frauen werden häufiger von Männern belästigt, meist von einem Kollegen, von Kunden oder von Vorgesetzten. Männer dagegen werden in rund der Hälfte der Fälle von Männern belästigt.
Arbeitgeber stehen in der Pflicht
Eine sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist kein Kavaliersdelikt. Das Obligationenrecht verpflichtet Vorgesetzte, ihre Angestellten vor sexueller Belästigung zu schützen. Die gleiche Pflicht ergibt sich aus dem Arbeitsgesetz, der Verordnung zum Arbeitsgesetz und dem Gleichstellungsgesetz.
Konkret muss der Arbeitgeber sexuelle Belästigung verhindern, und er muss dafür sorgen, dass einem Opfer aus einer sexuellen Belästigung keine Nachteile entstehen.
Merkblätter
Vor Gericht tauchen Klagen wegen sexueller Belästigung häufig im Zusammenhang mit Kündigungen auf. Zum Beispiel in einem Fall, der vor Bundesgericht endete. Eine Frau beklagte sich bei ihrem Chef, weil dieser sie ständig berührte und sexistische Bemerkungen machte.
Das von ihr gewünschtes Gespräch kam nicht zustande. Die Frau reichte schliesslich eine Strafanzeige gegen ihren Chef ein. Damit konfrontiert, kündigte dieser der Frau.
Das Bundesgericht stufte die Kündigung als missbräuchlich ein und sprach der Frau eine Entschädigung von sechs Monatslöhnen zu. Der Chef habe nicht das Geringste unternommen und damit seine gesetzliche Fürsorgepflicht verletzt.
Was unangenehm ist, ist eine Belästigung
In diesem Zusammenhang müssen sich die Gerichte immer wieder mit der Frage auseinandersetzen, was im Einzelfall als sexuelle Belästigung gilt. Aus der Vielzahl der Urteile lässt sich eine einfache Formel ableiten: Eine Belästigung ist, was vom Opfer als unerwünscht und unangenehm empfunden wird.
Anzügliche Sprüche zum Beispiel, peinliche Bemerkungen, unerwünschte sexuelle Avancen, Zurschaustellen von Nacktfotos, E-Mails mit sexuellem Charakter, unerwünschte Berührungen, harsche Kritik am Aussehen oder anderes, ungebührliches Verhalten.
So beurteilte ein Gericht die fristlose Entlassung einer Frau als rechtens. Sie führte in einem Lagerraum Telefonsexgespräche mit einem Mann – im Beisein einer 16-jährigen Lernenden.
Vor Gericht ist es oft schwierig, eine sexuelle Belästigung zu beweisen. Wer sich nicht wehrt, in dem er zum Beispiel Vorgesetzte oder die Personalstelle informiert oder sich an eine Beratungsstelle wendet, hat in einem Prozess einen schweren Stand.
So erging es einer Angestellten. Im Betrieb herrschte seit Jahren ein rauer Umgangston. Weil sich die Frau jedoch nie dagegen gewehrt hat, blitze sie vor Gericht ab.