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Arbeit Hungerlöhne im Luxushotel

Die Suiten im Hotel Marriott in Zürich kosten mehr als 500 Franken pro Nacht. Doch die Putzfrauen, die diese Zimmer reinigen, verdienen nicht einmal 10 Franken pro Stunde. Ein klarer Verstoss gegen den Gesamtarbeitsvertrag der Reinigungsbranche.

Auf dem Arbeitsvertrag sieht alles sauber aus. Die Mitarbeiterinnen, die für Vebego Services die Zimmer im Hotel Marriott putzen, bekommen den Mindestlohn von brutto Fr. 17.05 pro Stunde. Doch Kassensturz-Recherchen ergeben: Die Frauen arbeiten in Wirklichkeit nicht im Stundenlohn. Akkordarbeit ist verlangt. «Wir müssen vier Zimmer pro Stunde reinigen – egal, wie gross sie sind», sagt die Philippinin Sheryl, die seit drei Monaten im Marriott arbeitet. Doch um sauber zu putzen, würden 15 Minuten nicht ausreichen. «Wenn ein Zimmer stark verschmutzt ist, schaffst du es nicht unter 30 Minuten.»

Der Mindestlohn ist Fiktion

Wer in der Eile nicht sauber reinigt, den fordert die Gouvernante auf, nachzubessern. «Auch diese Zeit ist nicht bezahlt», sagt Sheryl. Ausserdem müssen die Putzfrauen sogenannte «Extra-Arbeiten» in den Zimmern verrichten. Auch das unbezahlt. Wenn sie die Stockwerke des Hochhauses wechseln müssen , so kommt es vor den viel benutzten Personalliften regelmässig zu Wartezeiten von 15 Minuten und mehr. Auch diese Zeit ist unbezahlt. Sheryl hat im Oktober 96 Stunden gearbeitet. Doch ausbezahlt bekam sie die Fr. 17.05 nur für 51 Stunden. Das gibt einen effektiven Stundenlohn von nur 9 Franken.

Gratisarbeit im Luxushotel

Viel Gratisarbeit leistet auch ihre ehemalige Kollegin. Regina Ramadani hat es nur drei Wochen im Marriott ausgehalten. «Ich habe über 80 Stunden gearbeitet, aber ausbezahlt haben sie mir nur 42 Stunden.» Der Druck sei enorm, die Zimmer möglichst schnell zu reinigen. Doch bis die Gäste auschecken, gibt es oft stundenlange Wartezeiten. «Wir haben um acht Uhr mit der Arbeit angefangen. Doch bis neun Uhr durften wir nicht an die Zimmertüren klopfen», erzählt Regina Ramadani. «War die rote Karte draussen, dann durften wir nicht stören. Wir mussten warten. Diese Wartezeit ist unbezahlt.»

Verstoss gegen den Gesamtarbeitsvertrag

Für Rudolf Kindler vom Staatssekretariat für Wirtschaft, Seco, ist klar: «Im vorliegenden Fall ist ein Mindestlohn von Fr. 17.05 vorgeschrieben. Der Arbeitgeber hat in jedem Fall diesen Lohn zu zahlen, unabhängig davon, wie viele Zimmer gereinigt werden.» Richtig schäbig findet Nico Lutz von der Gewerkschaft Unia die Zustände im Marriott: «Die Leute sind im Stundenlohn angestellt und müssen bezahlt werden für jede Stunde, die sie arbeiten, nicht einfach eine fiktive Abrechnung», sagt der Gewerkschafter. «Ein Luxushotel, das mehrere hundert Franken pro Nacht nimmt und die Leute für unter 10 Franken pro Stunde arbeiten lässt – das ist unter jeder Kanone.»

Verletzung des Arbeitsgesetzes

Die Arbeitszeiten im Hotel Marriott sind unregelmässig. «Ich weiss zwar, wann ich am Morgen anfangen muss», sagt Sheryl, «aber ich weiss nicht, wann meine Arbeit zu Ende ist. Das ist jeden Tag anders.» Rudolf Kindler vom Seco sieht hier das Arbeitsgesetz verletzt: «Das Angestellten haben das Anrecht zu wissen, wie lange sie arbeiten müssen. Die Arbeitszeiten und die Einsatzpläne müssen im voraus bekannt gegeben werden. In der Regel zwei Wochen vor dem Einsatz.» So steht es in Artikel 69 in der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz.

Reinigungsfirma Vebego lässt Vorwürfe prüfen

Das Hotel Marriott hat den Reinigungsdienst an die Firma Vebego Services ausgelagert. Vebego ist mit 5500 Mitarbeitern einer der Grossen in der Reinigungsbranche. Weder das Marriott noch Vebego Services wollten gegenüber Kassensturz zu den konkreten Vorwürfen Stellung nehmen. Vebego sei sich keiner arbeitsrechtlichen Verfehlungen bewusst.

Trotzdem hat sich die Reinigungsfirma aufgrund der Kassensturz-Recherchen bei der Paritätischen Kommission gemeldet, dem Kontrollorgan der Reinigungsbranche. Nun wird eine unabhängige Treuhandstelle Vebegos Lohnbücher prüfen. Die Paritätische Kommission kann bei Verstössen gegen den Gesamtarbeitsvertrag Konventionalstrafen bis zu 50 000 Franken aussprechen.

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