Der «Kassensturz»-Bericht vom 21. Dezember letzten Jahres dokumentierte eklatante Missstände in der Hotelreinigung: Die Zimmerfrauen des Zürcher Luxushotels Marriott werden nicht nach dem GAV-Mindestlohn von Fr. 17.05 bezahlt, sondern nach der Anzahl gereinigter Zimmer. Pro Zimmer werden 15 Minuten verrechnet - egal wie gross oder wie schmutzig es ist. Unbezahlt sind Wartezeiten bis ein Gast auscheckt oder sogenannte Extra-Arbeiten wie etwa die regelmässige Reinigung der Lüftungsanlage im Bad.
Lohnnachzahlungen über zwei Jahre
Jetzt hat das Kontrollorgan der Reinigungsbranche, die Paritätische Kommission, die Lohnbücher der Firma Vebego geprüft und Interviews mit den betroffenen Putzfrauen geführt. «Die Paritätische Kommission hat entschieden, dass nicht nach Zimmern abgerechnet werden darf, sondern nach Stunden», sagt Kommissionspräsidentin Rita Schiavi. «Ausserdem haben die Frauen wegen der falschen Abrechnungsweise Lohnnachzahlungen für zwei Jahre zugute.»
Vebego will sich ans Gesetz halten
Seit über zehn Jahren putzt das europaweit tätige Familienunternehmen Vebego im Hotel Marriott. «Unsere Abrechnungsweise ist, soweit wir wissen, branchenüblich und bis jetzt auch akzeptiert worden», sagt der Geschäftsführer von Vebego Schweiz, der Holländer Ton Goedmakers. «Für uns ist aber ganz klar, dass wir jetzt so schnell wie möglich umstellen und unsere Mitarbeiter ganz klar pro Stunde zahlen werden.»
Hotel Marriott zahlt mehr
Ab 1. April bekommen die 40 Putzfrauen den im Gesamtarbeitsvertrag festgelegten Mindestlohn von 17.05 Franken. Die vertragskonforme Entlöhnung verteuert den Reinigungsdienst. Das Hotel Marriott habe Vebego bis jetzt marktübliche Preise für die Zimmerreinigung bezahlt, sagt Direktor Daniel Lehmann. Doch nun langt er für faire Löhne tiefer in die Tasche: «Wir sind selbstverständlich bereit, den Preis pro bezahltes Zimmer neu zu berechnen und gegebenenfalls nach oben zu korrigieren.»
Hungerlöhne sind branchenüblich
Die miese Entlöhnung von Zimmerfrauen ist ein Branchenproblem. «Wir haben mittlerweile Hinweise bekommen, dass auch in anderen Hotels nach Zimmern abgerechnet wird», sagt Rita Schiavi von der Paritätischen Kommission der Reinigungsbranche. Klar ist, dass die Putzfrauen nicht nach Anzahl Zimmer entlöhnt werden dürfen, sondern gemäss Gesamtarbeitsvertrag im Stundenlohn angestellt sind.
Falsche Abrechnung im Radisson Blu
«Kassensturz» liegt ein Arbeitsvertrag von SHS Hotelservices AG aus dem Jahr 2010 vor. Er zeigt, dass die Putzfrauen vom Hotel Radisson Blu in St. Gallen auf der Basis von 2,5 Zimmern pro Stunde entlöhnt wurden. Eine Zimmerfrau erkämpfte sich vor der Schlichtungsstelle für Arbeitsverhältnisse in St. Gallen erfolgreich eine Lohnnachzahlung.
Die Firma spricht von Einzelfällen. Eine Angestellte habe irrtümlicherweise ein paar Monate lang pro Zimmer abgerechnet. SHS Hotel Services AG schreibt «Kassensturz»: «Wir bezahlen unsere Mitarbeiter im Stundenlohn. Die von den Mitarbeitern geleisteten Arbeitsstunden werden vollumfänglich ausbezahlt.» Der Arbeitsvertrag mit den vorgegebenen 2,5 Zimmern pro Stunde ist mittlerweile geändert worden.
Zeitstrafen für alle Zimmermädchen
Harte Sitten herrschen im Luxushotel St. Gotthard in Zürich. Ein Zimmer – unabhängig von Grösse und Zustand – muss im Hotel St. Gotthard in 28 Minuten gereinigt sein. Zwei Frauen haben 14 Minuten Zeit. Das sei eine Zielvorgabe, schreibt die Aargauer Reinigungsfirma Schmid Textilrewashing AG. «Den Mitarbeiterinnen wird die Arbeitszeit gemäss GAV bezahlt.» Laut einem Dokument, das «Kassensturz» vorliegt, gibt es für die Putzfrauen vom Hotel St. Gotthard kollektive Zeitstrafen. «Unordentliche Wäscherei» wird bestraft mit einem Zeitabzug von 20 Minuten für alle diensthabenden Putzfrauen. Ein kaputter Staubsauger, der nicht gemeldet worden ist, gibt ebenfalls einen Zeitstrafe von 20 Minuten für alle. Solche Zeitstrafen erlaubt das Gesetz nicht. Die Firma Schmid Textilrewashing AG schreibt: «Seit Dezember 2010 werden keine Zeitabzüge mehr für die Reinigungskräfte gemacht.»
Spätes Stempeln
Stossend ist auch ein weiterer Punkt: Bislang konnten die Zimmerfrauen erst nach der Arbeitsverteilung durch die Gouvernante stempeln. Nach der Intervention von «Kassensturz» will die Reinigungsfirma Schmid Textilrewashing AG dies jetzt ändern und die Stempeluhr neu in der Garderobe montieren.
Die Paritätische Kommission der Reinigungsbranche hat mittlerweile erkannt, dass in der Hotelreinigung manches nicht sauber läuft. Sie kündigt vermehrte Kontrollen bei den Reinigungsfirmen an.