Sie produzieren edle und teure Kaffeemaschinen, doch selber bleibt ihnen kein Rappen Ende Monat: die Angestellten der Ostschweizer Firma Eugster/Frismag - einer der grössten Kaffeemaschinenhersteller der Welt.
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Ein Mitarbeiter von Eugster/Frismag ist bereit, mit «Kassensturz» über seine prekäre Lohnsituation zu reden – anonym. Er ist Albaner und kam als Ungelernter in die Schweiz zum Arbeiten. Er verdient nur 3100 Franken brutto. Vor allen Abzügen.
Der Mann hat Familie. Ein normales Familienleben sei mit diesem tiefen Gehalt nicht möglich: «Es fehlt an allem. Ich würde sehr gerne einmal mit der Familie in den Zoo gehen oder einfach einmal ausgehen in ein Restaurant. Aber wir müssen einfach zu Hause bleiben, weil uns das Geld fehlt.»
Maschinen für Jura, Miele oder Nespresso
Eugster/Frismag ist Konsumenten kein Begriff. Zu Unrecht: Denn die Firma mit Sitz in Amriswil stellt Kaffee-Maschinen im Auftrag vieler bekannter Marken her, wie Jura, Miele, Nespresso, Turmix, König, De Longhi oder einzelne Automaten von Siemens und Bosch.
Der Umsatz der Firma wird auf eine halbe Milliarde Franken geschätzt. Firmengründer Arthur Eugster gehört gemäss der «Bilanz »zu den reichsten Schweizern. Das Magazin schätzt sein Vermögen auf 200-300 Millionen Franken.
Trotzdem verdienen vor allem ungelernte Arbeiter aus dem Ausland sehr schlecht bei Eugster/Frismag. «Kassensturz» liegen mehrere Lohnabrechnungen und Verträge von Mitarbeitern von Eugster/Frismag mit Tiefstlöhnen vor: knapp 3000 Franken, 2900 Franken oder sogar nur 2600 Franken. Jeweils für eine Vollzeitstelle.
Gewerkschaft: Solche Löhne sind missbräuchlich
Eugster/Frismag unterbiete systematisch die branchenüblichen Löhne an all ihren Standorten in Romanshorn TG, Amriswil TG und Neuhaus SG, sagt die Gewerkschaft Unia. Für Regio-Leiter Thomas Wepf ein klarer Missbrauch: «Diese Löhne halten keinem Vergleich mit anderen Firmen stand. Von solchen Löhnen kann man in der Schweiz nicht leben.»
Der Sitz von Eugster/Frismag ist Amriswil im Kanton Thurgau. Ausländeranteil in der Gemeinde: fast 30 Prozent. Nicht wenige von ihnen arbeiten bei Eugster/Frismag. Vor allem auch viele Albaner.
Arbeiter trauen sich nicht, sich zu wehren
Fast alle in der albanischen Gemeinschaft kennen jemanden, der am Band bei Eugster/Frismag arbeitet, sagt Ekrem Coti vom lokalen albanischen Kulturverein. Klagen über die tiefen Löhne höre man oft. Sich zu wehren, sei für die Angestellten aber fast nicht möglich.
«Die Frauen und Männer dort haben keine Ausbildung und auch wenig Sprachkenntnisse und sind wirklich froh, diesen Job zu haben.»
Deshalb hätten sie auch Angst den Job zu verlieren und trauen sich nicht, sich zu wehren. «Die sind wirklich machtlos. Darum machen sie nichts und arbeiten weiter.» Und das seit Jahren zu Tieflöhnen.
Dass die Mitarbeiter bei Eugster/Frismag sehr wenig verdienen, ist in der Region seit Jahren bekannt. Doch niemand unternimmt etwas. Dabei gäbe es eine Behörde, die zuständig dafür ist, den Arbeitsmarkt zu beobachten und in Firmen ohne Gesamtarbeitsvertrag gegen missbräuchliche Löhne vorzugehen: die tripartite Kommission TPK. In der TPK nehmen Gewerkschaften, Arbeitgeber und Kantonsbehörden Einsitz. Alle sind zahlenmässig gleich stark vertreten.
Zuständige Behörde will jetzt Situation untersuchen
Jeder Kanton hat eine TPK. Die Kommission vergleicht Löhne in der Branche und legt im Einzelfall fest, ob eine Firma die Löhne wiederholt und systematisch unterbietet. Ist dies der Fall, kann sie einschreiten.
«Wenn sie bei einem einzelnen Betrieb sieht, dass der Lohn zu tief ist, kann sie ein Verständigungsverfahren durchführen und versuchen den Lohn anzuheben», erklärt Peter Gasser vom Staatssekretariat für Arbeit SECO im «Kassensturz».
Erst wenn der Betrieb relevant ist für die ganze Branche oder verschiedene missbräuchlich tiefe Löhne bezahlen, kann die Kommission zwingende Mindestlöhne beantragen. Doch im Fall von Eugster/Frismag haben die zuständigen TPK von St.Gallen und Thurgau bislang nicht eingegriffen.
Der Kanton Thurgau sagt nichts zum konkreten Fall und beruft sich auf das Amtsgeheimnis. Anders der Kanton St.Gallen. Peter Kuratli, Leiter des Amts für Wirtschaft und Arbeit sagt, der Kanton verlange nun Lohnunterlagen von Eugster/Frismag und gehe den aktuellen Hinweisen auf Tieflöhne nach. Zur Frage, was bisher unternommen worden sei, verweist er ebenfalls auf das Amtsgeheimnis.
Eugster/Frismag äussert sich zum Vorwurf der tiefen Löhne nicht vor der Kamera. Sie schreibt nur, man zahle Leistungslöhne und überprüfe diese regelmässig. Die Firma schreibt in einer Stellungnahme: «Unser Unternehmen hat über Jahrzehnte aus eigenen Mitteln Hunderte von Arbeitsplätzen geschaffen und ist heute ein wichtiger Arbeitgeber in der Region. Entsprechend bemühen wir uns auch intensiv darum, diese Arbeitsplätze trotz schwierigen Bedingungen so weit wie möglich zu erhalten.»
Nespresso nimmt Vorwürfe ernst
Was sagen die Firmen, die ihre Maschinen bei Eugster/Frismag bauen lassen? «Kassensturz» hat die grossen Marken, von denen bekannt ist, dass sie bei Eugster/Frimag produzieren gefragt.
- Jura arbeitet seit über zwanzig Jahren mit Eugster/Frismag zusammen. Jura schreibt «Kassensturz», man könne keinen Einfluss ausüben auf die Löhne von Lieferant Eugster/Frismag.
- Die Firma DKB, Mutterfirma der Marken Koenig und Turmix äussert sich nicht zu den tiefen Löhnen.
- Auch viele Nespresso-Maschinen stammen von Eugster/Frismag. Nespresso will handeln und schreibt: «Alle unsere Lieferanten verpflichten sich weltweit, ihren Angestellten Gehälter und Leistungen zu bieten, die den nationalen Gesetzen oder den Branchenstandards entsprechen, je nachdem was höher ist. Wir nehmen diese Vorwürfe sehr ernst. Wir werden diese Angelegenheit unverzüglich untersuchen und die entsprechenden Massnahmen einleiten.»
- De Longhi und Miele sind ebenfalls Kunden. Sie schreiben, sie hätten keinen Hinweis für missbräuchliche Löhne. Ausserdem haben beide Mindestanforderungen für ihre Zulieferer. Eugster/Frismag habe immer zugesichert, diese einzuhalten.