Jasmina B. aus Ostermundigen macht eine Berufslehre zur Detailhandelsfachfrau. Die Eltern können sie finanziell nicht mehr so unterstützen wie vorher und der Lehrlingslohn allein reicht zum Leben nicht aus. Aus diesem Grund wollte Jasmina abklären, ob sie Möglichkeiten hätte Stipendien zu bekommen.
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Mustafa H. studiert an der Universität Zürich Medizin im 5. Semester. Bis jetzt hat er neben dem Studium in einer psychiatrischen Klinik und bei einem Catering Service gearbeitet. Die Vorbereitungen für die jährlichen Semesterprüfungen sind intensiv. Und das Medizinstudium lässt gegen Ende hin immer weniger Freiraum für Nebenjobs.
Auf der Seite www.stipendienberatung.ch suchte er Informationen zu Stipendien. «Die Seite hat sehr professionell ausgesehen mit dem Bundeshaus im Hintergrund», sagt Mustafa H.
Die Webseite gibt sich einen offiziellen Anstrich. Aber es ist eine Privatfirma, welche die Seite betreibt. Studenten der Universität St. Gallen gründeten sie im letzten Jahr. In markigen Worten stellt die Firma auf der Homepage Unterstützung in Aussicht, man würde helfen «die richtigen Ausbildungsbeihilfen zu bekommen.»
Hinweis zur Kostenpflichtigkeit ist versteckt
Jasmina B. und Mustafa H. kritisieren die «Hilfeleistung» dieser Seite. Beide haben auf stipendienberatung.ch ein sogenanntes Kontaktformular ausgefüllt. Es hiess, man solle Kontakt aufnehmen, damit die Abklärungen gleich beginnen könnten.
Dass dies ein kostenpflichtiges Angebot war, stand auf der Seite nirgends, nur versteckt in den AGBs. Die Betreiber der Seite behaupteten, Mustafa und Jasmina hätten mit der Anmeldung einen verbindlichen Auftrag gegeben. Und sie hätten Informationsblätter bekommen und müssten deshalb die Rechnung über 90.- respektive 85.─ Franken bezahlen.
«Das ist Abzocke»
Diese Art von Hilfeleistung ist für Jasmina B. Abzocke. Sie ärgert sich: «Ich wollte ein Stipendium, weil ich Geld brauche und nicht eine Rechnung, die ich bezahlen muss.» Sie erklärt, sie sei davon ausgegangen, dass sie auf dem Formular ihren Namen und Adresse angeben müsste, damit sie kontaktiert werden könnte. Und es sei nirgends gestanden, dass das ein kostenpflichtiger Auftrag sei.
Auch Mustafa fühlt sich über den Tisch gezogen. Er sagt, er habe mit dem Formular keinen Auftrag gegeben. Und er weigerte sich die Rechnung zu bezahlen, obwohl ihm die Firma mit einer Betreibung gedroht hatte.
Der Webmaster hat reagiert
Der Geschäftsführer der Seite Stipendienberatung hat die Mängel auf der Homepage behoben. Er schreibt «Kassensturz», dass die bis anhin aus finanziellen Gründen rudimentär gehaltene Seite per Anfang Februar komplett neu, transparenter sowie mit einem verbesserten Service für die Stipendiensuchenden erscheinen würde.
Und er kommt Jasmina und Studenten wie Mustafa entgegen: «Den Kunden, die irrtümlich bei uns eine Stipendienabklärung bestellt haben, erlassen wir gerne die Forderung.»
Kantonale Stipendienberatungen sind gratis
Für Claude Küpfer verantwortlich für Stipendien im Kanton Bern ist klar: Den Ärger mit Rechnungen und Mahnungen hätten sich die beiden sparen können: Alle kantonalen Stipendienstellen bieten Beratung gratis an.
Und Küpfer kritisiert auch die dürren Informationen, die die Firma stipendienberatung.ch verschickt hatte: «Die Informationen sind sehr allgemein gehalten und sie beschränken sich darauf die Studenten an die kantonalen Stellen zu verweisen. Daneben wird öffentliches Recht zitiert und Informationen aus Internetseiten von Kantonalen Stipendienstellen nach dem Prinzip «copy&paste» aufgeführt.»
Claude Küpfer bezweifelt, dass die Informationen der Stipendenberatung, 85.- Franken wert sind, wenn man bedenke, dass die meisten Informationen gratis zur Verfügung stehen würden.
Stipendien vom Kanton
Mustafa muss sein Studium nicht unterbrechen. Er vom Kanton Zürich für zwei Semester Stipendienbeiträge bekommen. Im nächsten Sommer schliesst Jasmina ihre Ausbildung ab, die Zeit bis dahin wird für sie zur finanziellen Durststrecke.
Voraussetzungen für ein Stipendium:
In der Schweiz ist die Vergabe von Ausbildungsbeiträgen oder Stipendien kantonal geregelt. Alle Erziehungs- oder Bildungsdirektionen sämtlicher Kantone informieren über Möglichkeiten und bieten Beratung kostenlos an.
Folgende Kriterien sind ausschlaggebend:
Wohnsitz: Der Student/Studentin muss den stipendenrechtlichen Wohnsitz im jeweiligen Kanton haben. In der Regel ist das der elterliche Wohnsitz, bei einer Erstausbildung. Ein Student/Studentin kann auch einen eigenen stipendienrechtlichen Wohnsitz erwerben, dann muss er aber schon eine abgeschlossene Erstausbildung haben.
Anerkannte Ausbildung: Die Ausbildung muss stipendienrechtlich anerkannt sein, d.h. der Abschluss muss vom Kanton oder eidgenössisch anerkannt sein.