Die Liste der Verstösse, welche die Kantone zusammengetragen haben, ist lang: Wiederholt verstiessen die Franchise-Partner des Handelskonzerns Valora gegen Arbeitszeit-Vorschriften. Mitarbeiter mussten zum Beispiel zehn Tage am Stück arbeiten.
In anderen Fällen verweigerten die Chefs den Angestellten die Mittagspause oder den Gang aufs WC. Hinzu kommen wiederholte Fälle, in denen die Mitarbeiter mit Kameras überwacht wurden.
Gesetzesverstösse in zwölf Kantonen
Zusammengetragen haben die Fälle die Arbeitsinspektorate in insgesamt 12 Kantonen: Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Genf, Glarus, Graubünden, Schaffhausen, Solothurn, Thurgau, Waadt, Zug und Zürich.
Die Vorwürfe der Behörden sind brisant: Sie stellen das Franchise- und Agentur-System von Valora in Frage. Valora betreibt beispielsweise viele Kiosk-Filialen nicht selbst, sondern vergibt diese an Kleinunternehmer, so genannte Agenturen. Betroffen sind auch die Tochterfirmen Brezelkönig und Avec.
Franchise-Partner sind nicht selbständig
Aus Sicht der Behörden lässt Valora den Ladenbetreibern praktisch keinen unternehmerischen Spielraum. Die Franchise-Nehmer seien deshalb aus gesetzlicher Sicht keine unabhängigen, selbständigen Betriebe, sagt Thomas Keller, Vorsteher des Amts für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Basel-Landschaft.
Gegenüber «Kassensturz» sagt er, man müsse deshalb davon ausgehen, dass Valora die Stellung eines Arbeitgebers habe und damit auch für die Einhaltung des Arbeitsgesetzes verantwortlich sei.
Das heisst: Wenn an einem Kiosk, in einer Brezelkönig-Filiale oder einem Avec-Laden Angestellte oder Ladenbetreiber unter gesetzeswidrigen Bedingungen arbeiten, wäre Valora dafür verantwortlich und nicht der Kleinunternehmer, der den Laden betreibt.
Bund koordiniert
Die kantonalen Behörden haben nun den Bund eingeschaltet, sagt Thomas Keller: «Es erfolgt nun ein gemeinsames, durch das Staatssekretariat für Wirtschaft koordiniertes Vorgehen bezüglich dieser Verletzungen.» Das Seco bestätigt, dass es derzeit im Fall Valora eine Fallkoordination durchführe, damit die Gesetzesverletzungen im Fall Valora in unterschiedlichen Kantonen möglichst gleich behandelt werden.
Die Behörden haben Valora über die Gesetzesverstösse informiert und fordern Massnahmen. Valora muss bis Ende Juni ein Konzept ausarbeiten, wie man künftig Verstösse gegen das Arbeitsgesetz verhindern will. Alle beteiligten Kantone und das Seco müssen die Massnahmen bewilligen.
Valora spricht von Einzelfällen
Valora will sich nicht dazu äussern, was man genau unternimmt und in welchem Zeitrahmen. Zu den Vorwürfen schreibt der Konzern, von systematischen Gesetzesverletzungen könne keine Rede sein. Man gehe jedem Einzelfall nach und ziehe Konsequenzen.
Und weiter: «Die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen, wie sie in den Partnermodellen vorgesehen werden, entsprechen geltendem Recht. Daran hat sich jeder Franchise- oder Agenturpartner zu halten.» Wo geboten, arbeite man mit den Behörden an Lösungen.
Wie weit die Verstösse im Einzelfall gehen, zeigt «Kassensturz» am Dienstagabend. Verkäufer, die für Valora-Tochter Brezelkönig in Winterthur arbeiten, packen aus: Der Chef bezahlt geleistete Arbeitsstunden nicht, verweigert Sonntagszuschläge und verlangt angebliche Kassen-Fehlbeträge in bar zurück. Das ist alles illegal. Die Reportage im «Kassensturz», 21.05 Uhr auf SRF 1.
Ergänzung vom 2. Juni 2015
Die Behörden des Kantons Basel-Land haben gegenüber «Kassensturz» zunächst gesagt, Valora müsse bis Ende Juni Massnahmen zur Verhinderung von Gesetzesverstössen vorlegen. Das Amt hat diese Aussage nun korrigiert. Die Frist für Valora läuft bis Ende Juli.