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Arbeitsbedingungen Immer mehr Druck auf das Verkaufspersonal

Onlinehandel und mehr Technik in den Läden wirken sich auf den Arbeitsalltag der Verkäuferinnen und Verkäufer aus. Der Druck im Detailhandel steigt. Es wird mehr reglementiert und kontrolliert, wie eine neue Studie zeigt.

Zwar haben wir alle täglich mit Verkäuferinnen und Verkäufern zu tun. Über ihre Arbeitsbedingungen wissen aber die wenigsten Bescheid. Auch gibt es kaum Studien dazu. Dabei ist der Detailhandel mit umgerechnet über 240'000 Vollzeitstellen die drittgrösste Branche der Schweizer Wirtschaft. Es ist zudem eine Branche mit einem extrem hohen Frauenanteil.

Aufschlussreicher Einblick

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Das Interdisziplinäre Zentrum für Geschlechterforschung der Universität Bern (IZFG) hat deshalb mit Verkäuferinnen und Verkäufern aus den Bereichen Food und Textil Interviews geführt, diese für eine Studie ausgewertet und mit Expertengesprächen ergänzt. Die Studie soll auch dem vor allem weiblichen Verkaufspersonal eine Stimme in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit geben, sagen die Macherinnen. Sie ermöglicht einen aufschlussreichen Einblick in den Alltag der Detailhandelsangestellten.

So erzählen Verkäuferinnen vom steigenden Druck: Dieser entstehe vor allem durch Personalabbau und Verlängerung der Ladenöffnungszeiten. Damit verbunden sei auch, dass vom Personal immer mehr Flexibilität verlangt werde und die Filialen mit immer mehr Technik ausgerüstet sind. Die einzelnen Angestellten müssten mehr Aufgaben übernehmen, das Arbeitstempo steige.

Den Libellenblick aufsetzen

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Um sich vom Onlinehandel abzuheben, werde Kundenorientierung für das gesamte Personal vorgeschrieben und über andere Aufgaben gestellt. Co-Studienleiterin Tina Büchler vom IZFG macht ein Beispiel: «Von Magazinern, die Gestelle einräumen, wird verlangt, dass sie den sogenannten Libellenblick aufsetzen. Das heisst, sie müssen während dem Einräumen stets auch links und rechts schauen, ob irgendein Kunde Hilfe braucht.» Diese Kunden müssten dann aktiv angesprochen werden.

Das Problem: Dabei bleibe die eigentliche Arbeit liegen, sagt Tina Büchler. «Nicht selten müssen dann die Gestelle abends in unbezahlten Überstunden fertig gefüllt werden.» Solche Zusatzaufgaben würden einfach aufs Stellenprofil aufgepfropft. Generell werde die Arbeit gemäss den Erzählungen der Verkäuferinnen und Verkäufer immer mehr reglementiert. Es sei genau vorgeschrieben, wie oft am Tag die Waren im Gestell nach vorne gezogen werden müssten, damit die Präsentation stimme. Oder es müsse genau in den zwei Minuten vor sieben Uhr eingestempelt werden.

Bitte mehr Lächeln!

Die Verkäuferinnen würden auch strenger kontrolliert. Tina Büchler schildert ein Kontrollsystem für Kassiererinnen: «Bei einigen Grossverteilern gibt es Kassenaufsichten. Diese sitzen im rechten Winkel zu den anderen Kassiererinnen und avisieren diese je nachdem telefonisch, dass sie mehr lächeln sollen.»

Die längeren Ladenöffnungszeiten verlangen vom Verkaufspersonal eine höhere Flexibilisierung. Vertreter der Detailhandelsbranche preisen dies als Möglichkeit für Teilzeitarbeit an. Der Detailhandel sei eine «Integrationsbranche», beispielsweise für junge Mütter oder Wiedereinsteigerinnen. Die Realität, welche die Verkäuferinnen in der Studie schildern, ist jedoch eine andere. Eine alleinerziehende Mutter sei auf fixe Freitage angewiesen. Solche würden von vielen Vorgesetzten jedoch nur ungern gewährt.

Volle Verfügbarkeit bei Teilzeitarbeit

Auch bei Teilzeitangestellten werde erwartet, dass sie an allen Arbeitstagen verfügbar seien. Die Studienmacherinnen beschreiben auch Stellen, für welche die Verkäuferinnen dem Arbeitgeber auf Abruf zwischen 40 und 60 Prozent zur Verfügung stehen müssen. Ganz nach Bedarf des Ladens.

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