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Atomdebatte: Warum auch AKWs dem Klima schaden
Aus Kassensturz vom 06.03.2007.
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Umwelt und Verkehr Atomdebatte: Warum auch AKWs dem Klima schaden

Atomstrom sei frei von CO2 und belaste die Umwelt nicht, behauptet die Atomlobby. Doch neue Studien zeigen: Atomkraftwerke sind keineswegs CO2-frei. Grund: Der Abbau von Uran wird immer aufwändiger und schadet dem Klima.

Manfred Thumann ist Geschäftsführer vom AKW Leibstadt und Geschäftsleitungsmitglied der Axpo. Er empfängt «Kassensturz» im Informationszentrum des Kraftwerkes, wo jährlich 20'000 Besucher von den Vorzügen der Atomkraft überzeugt werden sollen. Manfred Thumann:

Anhand von Modellen zeigen wir den Menschen, mit welch kleiner Menge Material eine sehr grosse Energiemenge hergestellt werden kann - und das alles CO2-frei.

Die lokale Erzeugung von Atomenergie setzt tatsächlich nur Dampf und kein Co2 frei. Doch das ist nur ein Teil der ganzen Nuklearwirtschaft, meint der Geschäftsführer der Schweizerischen Energiestiftung Jürg Buri.

Es macht uns natürlich unglücklich, wenn wir hören müssen, dass Atomstrom CO2-frei sein soll. Das ist er nicht, ganz bestimmt nicht. Die Zahlen gehen auseinander, aber es ist auch ganz klar so, dass der Atomstrom wegen des Uranabbaus- und Anreicherung sowie der Entsorgung massiv CO2 belastet ist.

Die Aufbereitung von Uran braucht sehr viel Energie

Tatsache ist: Frei von CO2-Emissionen ist keine Energieart. Nicht einmal die erneuerbaren Energien. Windräder müssen erstellt werden, Staumauern gebaut. Und auch die Produktion von Solarzellen emitiert CO2. Das Paul Scherrer Institut PSI hat für verschiedene Stromarten die künftigen CO2-Emissionen errechnet.

Das Gaskraftwerk schneidet mit 391 Gramm CO2 pro Kilowattstunde schlecht ab. Die Sonnenenergie emitiert 38 Gramm CO2. Wind bringts immer noch auf 14 Gramm. Und erst dann kommt laut PSI das Atomkraftwerk mit 6 Gramm pro Kilowattstunde. Nur noch geschlagen von der Wasserkraft mit 4 Gramm CO2. Doch diese Werte sind umstritten.

Uran wird in riesigen Minen aus der Erdkruste gewonnen und danach für die Atomkraftwerke aufbereitet. Dafür braucht es viel Energie. Hauptlieferanten sind Kanada, Australien und Nigeria. Die Gewinnung von Uran ist alles andere als CO2-frei. Gemäss anderen Studien verursacht sie ein Vielfaches der vom Paul Scherrer Institut errechneten Emissionen.

Der holländische Engergieforscher Jan Willem Storm van Leewen von der Consulting Firma Ceedata hat die CO2-Emissionen des gesamten Nuklear-Systems berechnet -und kommt zum Schluss: Auch AKWs schädigen das Klima.

Das einzige System, welches bei AKWs kein CO2 emitiert ist der Reaktor selbst. Aber alle industriellen Prozesse, um den Reaktor zu betreiben, emitieren CO2. Und zwar viel mehr, als von der Nuklearindustrie angegeben wird.

Statt auf 6 Gramm CO2 kommt er auf bis zu 125 Gramm pro Kilowattstunde. Wie viel die einzelnen Arbeitsschritte zur Gewinnung und Anreicherung des Urans CO2-Emissionen verursachen, ist umstritten. Das Paul Scherrer Institut hält die Zahlen von Storm für viel zu hoch. Er gehe von übertriebenen Annahmen aus.

Der Expertenstreit ist lanciert

Eine neuere Studie der Universität Sydney kommt jetzt auf ähnliche Zahlen wie Storm van Leewen. Sie rechnet für Atomreaktoren mit einem durchschnittlichen CO2 Ausstoss von 60 Gramm pro Kilowattstunde. Kommt aber auf Spitzenwerte von 130 Gramm pro Kilowattstunde. Höher noch als Storm van Leewen.

Fakt ist: Je geringer der Urangehalt im Erz, desto grösser ist der Energieaufwand für die Gewinnung. Der Urangehalt der Erze variiert sehr stark. Die reichsten Erze enthalten etwa 200 Gramm Uran pro Kilogramm Erz. In Afrika wird jedoch Erz mit weniger als 0,4 Gramm pro Kilogramm abgebaut. Der weltweite Mittelwert liegt zur Zeit bei einem Gramm pro Kilogramm. Tendenz sinkend.

Jan Willem Storm van Leewen: «Die reichsten und am einfachsten erreichbaren Minen werden als erste ausgeschöpft sein. Das heisst, dass der durchschnittliche Urangehalt mit der Zeit abnimmt. Das kann man bereits heute sehen.» Laut Storm van Leewen werden die Urangehalte dramatisch sinken. Je geringer der Urangehalt im Erz, desto höher der CO2 Ausstoss zu dessen Gewinnung. Die CO2 Emissionen werden also drastisch zunehmen, bis sie jene der fossilen Brennstoffe übersteigen.

Für Energieforscher Jan Willelm Storm van Leewen sind Atomkraftwerke eine CO2 Falle: «Es ist bemerkenswert, dass die Nuklearindustrie ihre Szenarien nur bis 2030 errechnet hat. Danach muss mit den sinkenden Urananteilen im Erz gekämpft werden - und dann fangen die Promleme an.»

Je erfolgreicher sich die Nuklear-Industrie aber zurückmeldet, desto schneller sind diese Vorräte aufgebraucht. Und umso früher schnellen die CO2-Emissionen in die Höhe. Dessen ist sich auch Leibstadt-Chef Manfred Thumann bewusst. Diese exponentielle Zunahme des CO2 ist etwas, dass sicherlich angeschaut werden muss. Aber Minen, die wir nicht kennen, Minen, die noch nicht exploriert sind, über die können wir schlecht Aussagen machen.

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