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Telefon-Terror: Ausländische Callcenter belästigen Konsumenten
Aus Kassensturz vom 04.11.2014.
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 58 Sekunden.
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Multimedia Ausländische Callcenter tarnen sich mit Schweizer Telefonnummern

Immer häufiger belästigen dubiose ausländische Callcenter Schweizer Konsumenten mit Werbeanrufen. Oftmals verwenden sie dazu Schweizer Telefonnummern. Denn diese Nummern werden international gehandelt – ganz legal. Telefondienstanbieter wie Swisscom sagen, sie haben keine Handhabe.

Rosa M. wurde mehrmals auf ihrem Handy von einer Schweizer Telefonnummer aus angerufen; einer Nummer, die sie nicht kannte. Pflichtbewusst rief sie zurück. Sie sagt: «Ich habe gedacht, es ist etwas wichtiges, es sucht mit wirklich jemand. Und ich wollte wissen, wer.»

Schnell stellte sich heraus: Es war ein dubioses Callcenter, das sie zu einem Krankenkassenwechsel bewegen wollte. Die 062er-Nummer liess auf einen Anrufer aus der Region Olten schliessen.

Doch woher genau die Telefonverkäufer anriefen, blieb unbekannt. In elektronischen Telefonverzeichnissen findet sich keine Adresse zu dieser Nummer. «Kassensturz» wird trotzdem fündig, in der Datenbank des Bundesamtes für Kommunikation.

Telefon-Nummern werden vermietet

Die Überraschung: Die Schweizer Nummer gehört der belgischen Firma Voxbone. Voxbone besitzt als Telefonanbieter legal Schweizer Nummernblöcke, wovon einzelne Nummern an dritte Firmen weltweit vermittelt werden. Auch an Callcenter, die Kunden in der Schweiz belästigen.

Nummernblöcke werden laut dem zuständigen Bundesamt für Kommunikation (BAKOM) nur Firmen zugeteilt, die bei jenem registriert sind. Das sind auch ausländische Firmen. Dies sei grundsätzlich unproblematisch, heisst es beim BAKOM auf Anfrage. Die Rufnummern müssten einfach hauptsächlich in der Schweiz genutzt werden.

Herrenlose Nummern nichts Aussergewöhnliches

«Kassensturz» liegen weitere Beispiele vor. Immer mehr Zuschauer beschweren sich über lästige Werbeanrufe von dubiosen Callcentern mit Schweizer Nummern. Viele führen zu Firmen im Ausland, denn Schweizer Telefonnummern werden international gehandelt.

Doch häufig lassen sich die Telefonnummern von lästigen Anrufern gar nicht zurückverfolgen. Das ist der Rentnerin Madeleine R. passiert. «Ich habe zurückgerufen, doch man kommt nicht durch, es gibt keine Verbindung, man hört nur einen Piepton», ärgert sie sich.

Eine Schweizer Nummer, die zu keinem Telefon-Anschluss gehört. Dies sei nicht aussergewöhnlich, erklärt Beat Stettler, Professor für Computernetzwerke an der Hochschule für Technik HSR in Rapperswil. Was auf dem Display stehe, müsse nichts mit dem Anrufer gemein haben – so wie auch der Absender auf einem Brief gefälscht sein kann.

«Grundsätzlich ist es beim Telefonieren so, dass die Nummer, die angezeigt wird, vom Anrufer bestimmt wird. Ob aus dem Ausland oder aus der Schweiz: Die Anlage des Anrufers kann bestimmen, was in diesem Informationsfeld ist, welche Nummer angezeigt werden soll. Und das kann missbraucht werden», erklärt Experte Stettler.

Selbst Telecomanbieter tappen im Dunkeln

Eine falsche Identität vortäuschen: Das Phänomen heisst Spoofing. Beat Stettler zeigt, wie einfach das geht. Möglich macht‘s die Internet-Telefonie.

Mit dem passenden Computer-Programm und wenigen Klicks ruft uns der Experte mit der Nummer von «Kassensturz» an. So kann jede beliebige Telefonnummer missbraucht oder eine erfundene Nummer angegeben werden.

Nicht nur für Madeleine R. ist es kaum möglich, herauszufinden, wer sich hinter der angeblichen Schweizer Nummer versteckt. Auch Telecomanbieter und Untersuchungsbehörden kommen nicht an die Anrufer heran: «Herauszufinden, wer wirklich hinter einer solchen Nummer steht, ist extrem schwierig.

Vor allem: Die, die das vertuschen wollen, machen das über mehrere Anbieter im Ausland, so, dass man in mehreren Ländern solche Anbieter polizeilich anfragen müsste, wer das war», erklärt Beat Stettler.

Für Madeleine R. keine gute Nachricht. Wegen der vielen Anrufe hat sie bereits mit der Polizei Kontakt aufgenommen. Diese konnte nicht helfen und verwies die Rentnerin an ihren Telefonanbieter Swisscom. «Ich habe das Gefühl, die Swisscom könnte sich ein bisschen mehr einsetzen. Mit der heutigen Technik sollte dies doch möglich sein», sagt Madeleine R. Doch auch hier hatte sie keinen Erfolg.

Wie die belgische Voxbone, so vergibt auch die Swisscom Schweizer Telefonnummern an ausländische Unternehmen. Dafür reicht eine Korrespondenzadresse – ein Briefkasten – in der Schweiz. «Kassensturz» will von der Mediensprecherin Annina Merk wissen, was der Telecomanbieter gegen lästige Anrufer unternimmt.

«Gesetzesanpassung wäre nötig»

Die Swisscom-Mediensprecherin versichert: «Wir gehen Hinweisen auf lästige Anrufer nach. Das heisst, wir beobachten die Situation. Zuerst suchen wir das Gespräch. Unsere weiteren Möglichkeiten sind Abmahnungen bis hin zu Nummernsperren. Im Moment haben wir aber nicht das Problem, dass unsere Kunden in der Schweiz belästigen würden.»

Komplizierter sei der Fall beim Spoofing, dem vortäuschen einer Schweizer Telefonnummer: «Wir haben nur eine Handhabe bei unseren eigenen Kunden. Die rechtliche Situation lässt es nicht zu, dass wir einzelne Anrufer, die nicht unsere Kunden sind, einfach sperren. Hier bräuchte es eine Anpassung der Gesetze», sagt Swisscom-Mediensprecherin Annina Merk.

Voxbone schreibt «Kassensturz», die Firma würde keinen Missbrauch ihres Services tolerieren und arbeite darum weltweit mit den Strafverfolgungsbehörden zusammen.

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Interview mit Annina Merk von Swisscom
Aus Kassensturz vom 04.11.2014.
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