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Beschlagnahmte Schilder: «Geduld hatte ich jetzt genug!»
Aus Espresso vom 27.06.2018. Bild: SRF
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Mühlen der Justiz Beschlagnahmte Schilder: «Geduld hatte ich jetzt genug!»

Wenn der Staat Eigentum beschlagnahmt, sitzt man am kürzeren Hebel. Ein Sammler bekommt das im Moment zu spüren.

An die 600 alte Werbeschilder besitzt Michel Borloz aus Otelfingen (ZH) unterdessen. Er sammelt die meist aus Metall gefertigten Schilder aus Leidenschaft: «Wenn man diese Schilder anschaut, geht einem das Herz auf», sagt der 55-Jährige. Eigentlich wäre seine Sammlung sogar noch grösser – doch im Moment fehlen ihm rund 20 Schilder. Sie sind im Dezember 2015 von der Polizei beschlagnahmt worden.

Verdacht auf Diebstahl

Michel Borloz hatte die 20 Schilder einem Kollegen ausgeliehen. Dieser sollte sie an einer Messe im Kanton Bern ausstellen und möglicherweise auch verkaufen. Plötzlich stand bei dem Kollegen die Polizei am Messestand, gerufen von einem anderen Aussteller. Dieser war überzeugt, bei einem der ausgestellten Schilder handle es sich um eines, das ihm zwei Monate zuvor gestohlen worden war.

«Die Polizei dachte sich wohl, wenn ein Schild möglicherweise gestohlen ist, beschlagnahmen wir gleich alle», sagt Michel Borloz zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso».

Blechschid
Legende: Das Corpus Delicti, welches Michel Borloz viel Nerven und Geld kostet. Michel Borloz

Wo sind die Schilder?

Schon kurz nach der Beschlagnahme der Schilder konnte Michel Borloz belegen, dass er zum Zeitpunkt des Diebstahls das Schild bereits besessen hatte. Das ist den Akten der Staatsanwaltschaft des Kantons Bern zu entnehmen, die «Espresso» vorliegen. Doch aus irgendwelchen Gründen geht es in dem Fall nicht vorwärts.

Die zuständige Staatsanwältin teilte Michel Borloz zwar im September 2017 mit, sie sei zuversichtlich, den Fall «noch in diesem Jahr erledigen zu können». Doch seither ist nichts mehr geschehen. «Ich finde, Geduld hatte ich jetzt genug», sagt Michel Borloz. «Ich möchte vor allem mal wissen, wo meine Schilder sind und ich möchte sie so schnell wie möglich zurückbekommen.»

Beschwerde aussichtslos

Auf Anfrage will sich die zuständige Staatsanwaltschaft des Kantons Bern nicht äussern. Der Fall sei nicht von öffentlichem Interesse, daher «sehen wir uns ausserstande, uns zu diesem Fall über die Medien zu äussern». Der Betroffene habe die Möglichkeit, sich an die Beschwerdekammer des Obergerichts zu wenden.

Allerdings wäre eine solche Beschwerde wohl aussichtslos. Strafrechtsprofessor und SP-Ständerat Daniel Jositsch sagt: «Strafverfahren dauern manchmal einfach sehr lange, sei es, weil das Verfahren sehr aufwändig oder die Behörden überlastet sind.» Als Betroffener könne man dies kaum ändern: «Bei einem Strafverfahren steht nun mal jemand unter Verdacht. Im Falle einer Beschlagnahme entscheiden dann die Richter im Rahmen des Urteils, ob diese gerechtfertigt war oder nicht.»

Kein Anspruch auf Schadenersatz

Wird Privatbesitz beschlagnahmt, so besteht nur in den seltensten Fällen Anspruch auf Schadenersatz. So könne man beispielsweise hypothetische Schäden nicht geltend machen, sagt Daniel Jositsch. «Wenn etwa Geld beschlagnahmt wird, kann man nicht sagen, man hätte dieses Geld anlegen und damit eine Rendite erwirtschaften können.»

Es müsse wirklich ein konkreter Schaden nachgewiesen werden können. Bei Gegenständen wie Autos, Computer oder dergleichen bestehe kein Anspruch auf Schadenersatz.

Und übrigens: Wenn Privateigentum von Ihnen beschlagnahmt wird, haben Sie kein Recht darauf, zu erfahren, wo diese Waren aufbewahrt werden. «Selbstverständlich nicht!», sagt Daniel Jositsch. «Diese Sachen sind dann einfach weg, bis der Richter seinen Entscheid fällt.»

Immerhin: Sorgen um seine Schilder muss sich Michel Borloz nicht machen. Die Behörden sind verpflichtet, beschlagnahmte Gegenstände so aufzubewahren, dass sie keinen Schaden nehmen.

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